Ich bin begeistert, Pianist zu sein

1. Jänner 2022, 22:05

"Das Klavier ist ein eher neutrales Instrument, hat aber fast unbegrenzte Möglichkeiten sich zu verwandeln. Der Prozess, in dem das Klavier etwa in ein Gesangsinstrument verwandelt werden kann, und zu sehen, wie dieses Instrument spezifisch reagiert und zumindest irgendwie deinem Wunsch, deinem Bemühen folgt, ist etwas ganz Außergewöhnliches. Das ist auch ein Grund, warum ich nach wie vor so begeistert bin, Pianist zu sein."

Maurizio Pollini, geboren am 5. Jänner 1942 in Mailand, ist eine der prägendsten Künstlerpersönlichkeiten der vergangenen sechs Jahrzehnte. Legendär sind seine Programme mit Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms, insbesonders aber seine Interpretation von Chopin. Es war Chopin, mit dem die internationale Karriere des Künstlers begann, als er 1960 den ersten Preis beim Internationalen Chopin-Wettbewerb in Warschau erhielt. Mit 18 Jahren war er der jüngste Teilnehmer.

"Seit dem Gewinn des Wettbewerbs besteht eine enge Beziehung zu Chopin. Ich möchte aber betonen, dass sowohl mein Repertoire als auch meine Neugier auf viele andere großartige Komponisten ausgerichtet ist. Es ist Chopin, dem ich viel Zeit, viel meiner Liebe gewidmet habe. Er hat etwas absolut Magisches, etwas absolut Geheimnisvolles, er ist keine Person, die man mit einfachen Klischees verstehen kann. Er definiert sich sicherlich nicht nur als romantisch-sentimentaler Komponist.

Nur diese Magie und diese Verführung zu sehen, wäre zu oberflächlich. Er ist viel mehr als das. Es ist schwer ihn tatsächlich zu verstehen, besonders wenn man ihn nicht wirklich liebt. Du kannst ihn nicht perfekt einspielen. Das trifft natürlich auf jeden Komponisten zu, aber auf Chopin besonders." Eine wichtige Säule im Repertoire Pollinis ist und war zeitgenössische Musik, seine Projekte mit Claudio Abbado und Luigi Nono gelten als legendär und richtungsweisend, auch wenn die erhofften Konsequenzen und Veränderungen dieser Initiativen nicht in der von den Initiatoren intendierten Richtung eingetroffen sind.

Vielleicht gerade deshalb ist er nach wie vor als leidenschaftlicher Proponent, als brillanter Übersetzer von neuen Notentexten in Klangsprache auf den Bühnen weltweit unterwegs. Sein Spiel ist intensiv und zugleich zurückhaltend, als würde er jeder Sentimentalität im Umgang mit der Musik bewusst entgegenwirken wollen. "Man geht ins Konzert um Horowitz oder Ashkenazy zu hören, man geht zu Pollini, um Chopin oder Beethoven zu hören," schrieb die New York Times über Pollini, dessen Treue zum Originaltext genauso wichtig ist wie die individuelle Interpretation. Bei ihm scheint es eine Balance zwischen Rationalität und Lyrik zu sein.

Opus widmet sich zum Auftakt einer Reihe von Sendungen auf Ö1 dem Künstler und Menschen Maurizio Pollini und versucht, persönliche Facetten dieses Ausnahmekünstlers zu zeichnen, der seine Fingerabdrücke im Musikbetrieb unserer Zeit so vielfältig hinterlassen hat und dies noch weiter tut.

Sendereihe

• Opus - das Musikkolloquium