"Ich freue mich, unter Ihnen zu sein"

17. Jänner 2022, 06:56

Dieser Satz entstammt einer Ansprache Grillparzers im ehemaligen "Hofkammerarchiv", einer Institution, die heute dem "Österreichischen Staatsarchiv" zugeordnet ist. Grillparzer, 24 Jahre lang ihr Direktor, sah sich allerdings gleich zu Beginn, 1832, mit Schwierigkeiten konfrontiert und wandte sich daher mit einer kurzen Rede an seine Mitarbeiter, um zu versichern:
"dass Sie in mir den gefälligsten und verträglichsten aller Menschen finden werden, wenn Sie dasjenige genau erfüllen, was ich von Ihnen zu fordern berechtigt bin, so wie auch ich zur genauesten Pflichterfüllung mich hiemit bereit erkläre. Im ersten Augenblicke, bei meinem neuen Geschäfte würde mir bereitwilliges Entgegenkommen doppelt angenehm sein, wir wollen aber trachten, in möglichst kurzer Zeit Nachsicht von beiden Seiten überflüssig zu machen. Ich freue mich unter Ihnen zu sein, und hoffe, dass auch Sie, schon jetzt, oder doch in Zukunft, den heutigen Tag unter die angenehmen zählen sollen."

Diese Sätze, die übrigens allen, die heute ein Amt antreten, kostenfrei zur Verfügung stehen, fordern dazu auf, jede Art von Arbeitsbeziehung, insbesondere auch jene in öffentlichen Institutionen, grundlegend zu überdenken. Grillparzer, der in seinen Dramen autoritäre Hierarchien jeder Art durchbuchstabiert, vom Kaiser über den Kanzler bis zum Küchenjungen, dreht das "unter" vom amtlichen "Sie, die Sie unter mir sind" hin zu einem "ich, der ich unter Ihnen bin".

Da findet sich keine Spur jenes "von unten herab", zu dem ein späterer Zeitgenosse, Karl Kraus, dieses "unter" gesteigert hat. Anstelle dessen steht da klare, klar ausgesprochene gegenseitige Verpflichtung. Und ein weiteres "unter": "und hoffe, dass auch Sie den heutigen Tag unter die angenehmen zählen sollen." Ist das nicht merkwürdig? An einem zentralen Ort der Verwaltung von Finanzausgaben macht Grillparzer eine Zählung eigener Art auf, eine, die mit "angenehmen Tagen" rechnet: Damit, denke ich, wären auch unangenehme Tage zu beginnen: in Voraussicht auf "Angenehmes" durch rechtschaffenes Tun.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler