APA/DPA/MARIJAN MURAT
Radiokolleg - Die Krise der Care-Arbeit
Ursachen und Folgen einer Fehlentwicklung (2). Gestaltung: Ilse Huber
1. Februar 2022, 09:05
Nicht erst die Corona-Pandemie hat zutage gebracht, was seit Jahrzehnten schwelt: Es fehlen Strukturen und funktionierende Systeme, wenn es darum geht, Menschen zu begleiten und zu betreuen, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Praktisch kein Mensch kann ohne Sorge leben. Die Sorge um, aber auch die Sorge für jemanden. Das beginnt mit der Obsorge eines Neugeborenen, setzt sich in der Fürsorge seiner Mitmenschen fort und betrifft auch Maßnahmen zur Vorsorge einer immer älter werdenden Gesellschaft. Im englischen Begriff Care steckt mehr als individuelle Pflege. Care heißt auch Rahmenbedingungen zu schaffen, langfristig füreinander da zu sein.
Da reicht es nicht, Verantwortung an jeden Einzelnen zu übertragen. Die Erschöpfung nimmt überall zu, der Druck auf Menschen, Institutionen und Einrichtungen natürlich auch. Der Kollaps bahnt sich dort an, wo Daseinsvorsorge gegen Erwerbsarbeit aufgewogen wird. Weltweit entstehen aus der Not neue Formen der Selbstständigkeit und immer ausgeklügeltere Versicherungsangebote: Care-Pakete und Care-Unternehmen. Aber sollen soziale Tätigkeiten wirklich wirtschaftlichen Marktmechanismen folgen?
Irgendwann wird aber jede und jeder in die Situation kommen, in der Pflege, Betreuung und Fürsorge wichtig sind. Das muss man sich jedoch leisten können. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Geld entscheidet: wird man eine Pflege im Alter bezahlen können? Wie kann die frühkindliche Herzensbildung umfassend gewährleistet werden? Die Besessenheit nach Produktivität und Gewinn hat auch die Care-Wirtschaft erfasst: wieviel kostet eine Stunde, ein Tag Aufmerksamkeit, Zuwendung und Aufsicht?
Wie konnte es nur soweit kommen, fragt auch die Soziologin Emma Dowling in ihrem 2021 erschienenen Buch "The Care-Crisis. What Caused It and How Can We End It".
Was sind die Ursachen für jene Schieflage in der Gesellschaft, die nicht nur gefährdete Personen ausgrenzt, verdrängt, abschiebt oder einfach ignoriert, sondern auch all jene, die sich für deren Wohlergehen einsetzen? Denn frühkindliche Pädagoginnen, Krankenhausangestellte und Heimhilfen sind bereits am Limit- und wen kümmert's?
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Bücher
Emma Dowling: The Care-Crisis. What Caused It and How Can We End It, Verlag Verso London 2021
Das Rote Wien 1919-1934, Ausstellungskatalog Wien Museum , Birkhäuser Verlag 2019
Evke Rulffes: Die Erfindung der Hausfrau- Geschichte einer Entwertung, HarperCollins Verlag, Hamburg 2021
Brigitte Aulenbacher, Helma Lutz, Karin Schwiter: Gute Sorge ohne gute Arbeit? Verlag Beltz Juventa, Basel 2021
Franziska Schutzbach: Die Erschöpfung der Frauen -Wider die weibliche Verfügbarkeit, Droemer Verlag, München 2021
Links
Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
offensive Gesundheit
Mehr für CARE
Österreichischer Gewerkschaftsbund
https://www.pflegeinitiative.ch/Pflegeinitiative
Bundesamt für Gesundheit Schweiz
Blick
Tagesschau
Bundeskanzleramt Österreich