Rhythmische Assoziationsbögen

5. März 2022, 22:05

"Reime und Rhythmen sind für Ondrej Cikán kein Zierwerk" schreibt die Herausgeberin Josefine Schlepitzka in ihrem Nachwort, "sondern schaffen Sinneinheiten, gliedern Gedanken, bilden Parallelen und Kontraste von Klang und Bild". Der in Wien lebende Prager Autor ist versierter Kenner unter anderem der altgriechischen und der tschechischen Literatur. Er übersetzt aus beiden Sprachen, ist Betreuer vielfältiger poetischer Editionen anderer Autorinnen und Autoren, und liebt auch in seinen eigenen Texten die besonderen formalen Traditionen, vorgestellt in diesem Band unter anderem am Beispiel eines Langgedichts mit dem Titel "Tote Sprache". Es ist dies ein sogenanntes "Zonengedicht", ein in Tschechien sehr populäres Lyrikgenre, das Reim für Reim und Assoziation für Assoziation große Bildbögen durchschreitet. Diese Form, auf tschechisch "pásmo", geht auf das Gedicht "Zone" von Guillaume Apollinaire zurück, das 1919 in tschechischer Übersetzung von Karel Capek erschienen ist. Ondrej Cikán hat das Genre fürs Deutsche adaptiert.

Die von Ondrej Cikán ausgewählte Musik stammt von der japanischen Sängerin und Komponistin Doji Morita, die mehrere Alben aufnahm und sich dann völlig zurückzog. Bis heute ist weder ihr bürgerlicher Name noch ihr wirkliches Aussehen bekannt. Das Pseudonym Doji Morita bedeutet "Jüngling (oder auch: Dämon) aus Wald und Reisfeld". Doji Morita, die oft auch aus männlicher Perspektive singt, beschreibt in ihren Liedern die Einsamkeit, die Liebe, oder den Verlust eines Freundes.

Service

Ondrej Cikán, "Mein Liebling ist Gewölk", Ketos Verlag, 2021

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