Samuel Mago über Heimat und Täter/innenland

9. April 2022, 06:56

Es ist für mich immer wieder komisch, manchmal spannend, manchmal belastend in einem sogenannten Täter/innenland zu leben. In einem Land, in dem man mich vor nicht einmal 80 Jahren wohl verfolgt, deportiert oder ermordet hätte. Ich lebe unglaublich gerne in Wien. Ich bin ein Lokalpatriot vom Feinsten und fühle mich hier mehr Zuhause als überall sonst. In Österreich wurden während des Zweiten Weltkriegs 90 Prozent der Österreichischen Roma und Romnja, Sinti und Sintizze ermordet. Die, die überlebten, waren auch nach dem Genozid Antiziganismus und Diskriminierung ausgesetzt. Ceija Stojka, eine österreichische Romni, überlebte als Kind drei Konzentrationslager, nämlich Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen. In den 1980er Jahren war sie die erste, die über den Völkermord sprach. Zeitlebens setzte sich diese unglaublich starke Frau für die Anerkennung des Völkermordes ein und hielt hunderte Workshops für Schulklassen. Sie sprach insgesamt vor über 12.000 Schülern und Schülerinnen.

Nachdem Ceija Stojka 2013 starb wurde im siebten Bezirk ein Platz nach ihr benannt, der Ceija-Stojka-Platz. Es ist einer der wenigen Orte in Wien, der den Namen einer Romni trägt. Einen Ort des Gedenkens, zentral im Herzen der Stadt Wien, der Bundeshauptstadt eines Landes, das maßgeblich an der Vernichtung meiner Volksgruppe beteiligt war, gibt es übrigens bis heute nicht. Viele Roma und Romnja, Sinti und Sintizze fordern seit Jahren ein Denkmal in der Wiener Innenstadt. Ein Denkmal, das an die 500. 000 Roma und Romnja, Sinti und Sintizze erinnern soll, die in Europa während des Genozids ermordet wurden. Auch die HÖR, die Hochschüler/innenschaft Österreichischer Roma und Romnja fordert dieses Denkmal. Dass es so etwas in Wien, in dieser Täter/innenstadt, in der ich mich so Zuhause fühle, nicht gibt, das ist beschämend für die Republik und unwürdig der Erinnerung an alle Opfer des Holocaust.

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Gestaltung

• Alexandra Mantler