Linzer Kreuzigung

OÖ LANDES-KULTUR GMBH

Ö1 Hörspiel

"Die Matthäus-Passion" ohne Johann Sebastian Bach

"Matthäus-Passion" nach Martin Luther, Picander und Paul Gerhardt. Mit Peter Simonischek (Matthäus), Claudius von Stolzmann (Jesus), Lilith Häßle (Magdalena), Markus Meyer (Petrus, Thomas, Philippus, 2. Ältester, Jeremias, Simon, Soldat, Hauptmann, Josef), Michael Maertens (Kaiphas, Johannes, Bartholomäus, Andreas, 1. Ältester, Pilatus, Anderer) und Petra Morzé (Judas, Simon, Thaddäus, Jakobus, Zeuge, Zweite Magd, Pilati Weib, Einer, Pharisäer). Tongestaltung: Anna Kuncio und Manuel Radinger. Musik: Lukas Schiske. Bearbeitung und Regie: Leonhard Koppelmann (ORF 2020)

Bachs 1727 uraufgeführte Matthäus-Passion gilt als eines der zentralen Werke der abendländischen Musik. "Wer das Christentum völlig verlernt hat, der hört es hier wirklich wie ein Evangelium", schrieb Friedrich Nietzsche. Bachs Musik ist nicht bloße Textbegleiterin, sie transzendiert den Text "am Kognitivum und der Ratio vorbei". Umgekehrt könnte man, so der Psychiater Mathias Hirsch, sagen, dass "der Text in Worte fasst, was die Musik ausdrückt". Die Matthäus-Passion sei "ein Beziehungsdrama, in dem Liebe, Verrat und Verlassenwerden Schuld erzeugen und dank der (nicht zuletzt musikalischen) Verarbeitung durch Reue schließlich Versöhnung entsteht. Die dramatische Handlung lädt zu vielfältigen Identifikationen ein: zur Abwehr des tragischen Geschehens, zur Identifikation mit Jesus als Leidendem, vom Vater Verlassenen, zur Identifikation mit den am Tod Jesu Schuldigen und zur Identifikation mit einer parentifizierenden Rollenumkehr". Die Matthäus-Passion verherrlicht das Heilswerk Jesu und bekräftigte antisemitische Haltungen. Sie hinterlässt die Gemeinde "in Trauer und Tränen und nicht in Hoffnung und Gewissheit".

Regisseur Leonhard Koppelmann: "Weil die Geschichten der Bibel so archetypische in ihrem Erzählgrund sind (dabei in ihrer Naivität durchaus auch Märchen ähnlich), waren sie so von jeher eine Quelle für unendliche Variationen, Adaptionen und Interpretationen. ... Die Jünger kommen überhaupt nicht besonders gut weg in der Geschichte, sie streiten, sie schaffen es nicht in der Stunde seines größten (Selbst-)Zweifels bei ihm zu wachen, sie verraten ihn (nicht nur Judas, sondern ebenso Petrus). Viele der Arien bei Bach werden von Sopran oder Alt gesungen, vielleicht hat das mit dazu beigetragen, dass ich bei meiner Einrichtung des Textes für ein Sprecherensemble, diese Texte und weitere einer Frauenstimme zugeordnet habe, so entsteht eine interessante Zwiesprache zwischen Jesus und einer Frau (Magdalena?), die als Einzige bereit und in der Lage ist, seine Liebes- und Hoffnungsbotschaft zu verstehen und anzunehmen. Befreit von der Institutionalisierung der Texte durch Kirche und Religion, gewinnt die Botschaft ihre ganz ursprüngliche und universelle Kraft zurück und ist in der Lage auch mir Ungläubigen Hoffnung und Kraft zu spenden".

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