Johanna Schwanberg

APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Georges Braque

Zerlegte Wirklichkeit - Zum 140. Geburtstag von Georges Braque.
Von Johanna Schwanberg, Kunstwissenschafterin und Direktorin des Dom Museum Wien

Der Bildraum ist geteilt. Links eine rosafarbene Fläche, rechts eine gelbe. In der Mitte ein grauer Zwischenraum. Vor diesen Farbflächen sind schemenhaft zwei Vögel zu erkennen. Sie fliegen aufeinander zu, berühren einander aber nicht. Dieses Ölbild mit dem Titel "Der weiße und der schwarze Vogel" stammt aus dem Spätwerk von Georges Braque; es entstand im Jahr 1960.

Kennt man dessen frühe kubistische Stillleben, so verwundern die großflächige, einfache Formensprache und das poetische Thema. Besonders berühren mich die meditative Ruhe und die ungemein positive Kraft, die von diesem Werk ausgehen. Gerade in weltpolitisch bedrückenden Zeiten erscheinen diese beiden Vögel wie zwei Friedensbotschafter, die trotz der Unterschiedlichkeit - bildlich ausgedrückt durch den Schwarz-Weiß-Kontrast - einen Dialog suchen.

Unzählige Varianten von Vogelflügen hat der Künstler im Jahrzehnt vor seinem Tod gemalt. Wie kam Braque zu diesem Motiv, das als Inbegriff des Vergeistigten, auch als Sinnbild der Bewegung gilt? Schließlich hatte sich der Maler Jahrzehnte nahezu ausschließlich auf Innenräume, auf unbewegte Gegenstände - auf die "nature morte" konzentriert. Georges Braque erklärte die Entdeckung dieses Motivs mit dem Versuch, sich von der Begrenztheit des menschlichen Bewegungsraums zu befreien und den Blick in Richtung Himmel zu weiten: "Ich zeichne nur noch Vögel, nachdem mich meine Stillleben vielleicht zu lange auf der Erde festgehalten haben."

Braques Vogelflug-Bilder spiegeln die Beschäftigung des Künstlers mit den immateriellen Seiten des Daseins gegen Ende seines Lebens. Nicht zufällig hat der Maler in seinem Spätwerk auch für Kirchen gearbeitet. So schuf er für die romanische Kirche seines Lebensortes Varengeville in der Normandie ein blaues Glasfenster mit dem Stammbaum Christi; später folgten noch andere Kapellenfenster.

Der Vogel ist bei Braque ein Symbol des Künstlerischen, ja des Schöpferischen überhaupt. So meinte er: "Es geht über das Sagbare hinaus. Es ist die Darlegung eines unbestimmbaren Gefühls": Und weiter: "Der Vogel ist die Summe meiner Kunst. Er ist mehr als nur Malen."

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Francis Poulenc 1899 - 1963
Album: FRANCIS POULENC - KAMMERMUSIK FÜR BLASINSTRUMENTE
* Elegie - 1.Satz (00:05:19)
Titel: Sonate für Oboe und Klavier
Solist/Solistin: Charles Wadsworth
Solist/Solistin: Leonard Arner
Länge: 05:19 min
Label: Erato ECD 88044

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