Marie Gammillscheg

JENS OELLERMANN

Radiogeschichten

Weiche Schale, harter Kern

"Aufruhr der Meerestiere" von Marie Gamillscheg. Gestaltung: Ilse Amenitsch

Ökokrise und Sinnkrise gehen im zweiten Roman von Marie Gamillscheg Hand in Hand. Ihre Protagonistin, die Meeresbiologin Luise, forscht an einer speziellen Rippenquallenart, der Meerwalnuss, das "gefährlichste Raubtier der Welt" und "ein Monster der Anpassung". Die im Dunkeln leuchtende Meerwalnuss, ist nur zehn Zentimeter groß, vermehrt sich rasant und droht die Meere zu kippen. Als die junge Wissenschaftlerin für den Aufbau eines Forschungsinstitutes in ihre Heimatstadt Graz eingeladen wird, droht auch ihre Gefühlswelt zu kippen. "Luise war eine Insel, eine Höhle auf der Insel auf der Welt war die Welt", schreibt die in Berlin lebende Grazer Schriftstellerin in "Aufruhr der Meerestiere".

Aufruhr in Luise löst in Graz die erneute Nicht-Anwesenheit des Vaters aus. Bislang durch wissenschaftliche Arbeit und Reisen quer durch die Welt Kaschiertes wird so durchscheinend wie ihr Forschungsobjekt. Sprachlosigkeit, Unnahbarkeit, Einsamkeit schwappen hoch. Es beginnt eine Spurensuche in der Kindheit, mündet im Ausleuchten und Hinterfragen von Gesetzen, die andere geschrieben haben. "Luise wollte weg. Sie legte die kurze Hose ab, sie legte alles ab, bis sie kein Alter mehr hatte".

Bereits in ihrem ersten Roman "Alles was glänzt", ausgezeichnet mit dem österreichischen Buchpreis für das beste Debüt 2018, lenkte Gamillscheg den Blick auf unsere Umwelt, auf die Ausbeutung der Natur in einer Bergbauregion, die, im Inneren ausgehöhlt, einzustürzen drohte. Nun ist es das bedrohliche Faszinosum der Meerwalnuss, verwoben in einen Entwicklungsroman. "Die Beziehung zwischen Mensch und Tier funktioniert einzig über Angst", heißt es an einer Stelle.

Service

Marie Gamillscheg: Aufruhr der Meerestiere. Roman. Luchterhand 2022

Sendereihe

Gestaltung

  • Ilse Amenitsch

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