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Ex libris-Nachlese: "Zettel's Traum" von Arno Schmidt.
Es liest Ulrich Matthes

Kürzlich ist im Hanser Verlag die erste umfangreiche Arno Schmidt-Biografie erschienen. Sven Hanuschek hat sie mit viel Detailwissen über diesen Autor verfasst, dessen komplexe Texte eine einzige Vernetzung von Details sind, von literarischen Anspielungen und Zitaten, von autobiografischen Partikeln, von Sprachspielen und fremdsprachigen Elementen, von Landschaften, Philosophie und Genrewechseln. In diesem Verständnis von Literatur, die so assoziativ und ungeordnet funktionieren soll, wie etwa auch das Denken funktioniert, ist Arno Schmidt nur mit James Joyce vergleichbar.

Der Literaturwissenschafter Jörg Drews meinte einmal über Arno Schmidt: "Hier war jemand, der von der Literatur und ihrer höchsten Wichtigkeit absolut überzeugt war, der unzweideutig zu seiner Aufgabe stand und sich nirgends anbiederte". Die Krönung dieser Aufgabe war 1970 "Zettel's Traum", ein aus über 120.000 Notizzetteln zusammengefügtes Textkonvolut, das sich damals gar nicht als gebundenes Buch herstellen ließ, sondern als Faksimile des Schmidt'schen Typoskript. Die Rezensenten, denen Schmidt empfahl, ein Jahr lang nichts darüber zu schreiben und die Sache erst einmal gedanklich zu verdauen, warfen sich darauf und erklärten "Zettel's Traum" mehrheitlich zum Kultbuch - wenngleich zu einem, für dessen Lektüre Leserinnen und Leser einen langen Atem brauchen.

Wie bereits in James Joyces "Ulysses" ist die äußere Handlung überschaubar: An einem Sommertag im Jahr 1968 hat der Schriftsteller Daniel Pagenstecher 24 Stunden lang Besuch von einem befreundeten Übersetzerehepaar und deren Tochter Franziska. Während sie sich über Literatur und Sex unterhalten, verschwimmen alltägliche Verrichtungen mit einer erotischen Traumwelt. Der impotenzgeplagte Pagenstecher widersteht den Verführungsversuchen Franziskas und finanziert stattdessen ihr Abitur. Zudem wird am Beispiel von Edgar Allan Poe und unter Berufung auf Sigmund Freud eine Literaturtheorie entwickelt. Es geht darin um die Wiederkehr des Verdrängten, insbesondere tabuisierter sexueller Vorlieben, in der Wahl der literarischen Kulissen und in Worten mit sexuellem Nebensinn.
Gestaltung: Peter Zimmermann

Service

Aus: Arno Schmidt: "Zettel's Traum", Suhrkamp Verlag, Hörbuch bei aufbau audio

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  • Peter Zimmermann

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