Claudia Kuretsidis-Haider

Claudia Kuretsidis-Haider - APA/HANS PUNZ

Punkt eins

Österreich ein "Paradies für NS-Täter"?

Umfassender Forschungsbericht über Nachkriegsjustiz in Österreich präsentiert. Gast: Claudia Kuretsidis-Haider, wissenschaftliche Ko-Leiterin der "Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" und Mitarbeiterin am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Moderation: Natasa Konopitzky. Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter. 0800 22 69 79, E-Mails an punkteins(at)orf.at

Verschleppte Fahndungen, Sonderregelungen zur Verjährung, wegen Personalmangels eingestellte Verfahren, Freisprüche für Mörder: Österreich zeigte nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages kein großes Interesse an der Verfolgung von NS-Tätern. 94 Prozent aller Urteile zu NS-Verbrechen fielen zwischen 1945 und 1955. Danach gab es trotz einer großen Zahl an Verdächtigen nur 20 Schuldsprüche bei rund 100 Untersuchungsverfahren. Nach 1975 fanden überhaupt keine Prozesse mehr statt. Eine Ausnahme war die Anklage gegen den Euthanasie-Arzt Heinrich Gross, der mutmaßlich für den Tod von Hunderten Kindern verantwortlich war. Die Verhandlung im Jahr 2000 wurde abgebrochen, weil Heinrich Gross für nicht vernehmungsfähig erklärt wurde. Er starb 2005.

"Österreich ist ein Paradies für NS-Verbrecher", resümierte Efraim Zuroff bei einem Wien-Besuch im Jahr 2006. Der Direktor des Simon Wiesenthal Centers (SWC) in Jerusalem kritisierte die österreichische Nachkriegsjustiz als langsam und passiv. 2010 beauftragte das Bundesministerium für Justiz die Arbeitsgruppe "Ausforschung mutmaßlicher NS-Täter:innen" mit einer Untersuchung; im Mai 2022 präsentierte sie ihren Abschlussbericht - mit der "bitteren Erkenntnis", dass die Versäumnisse nicht mehr aufgeholt werden können. Die Recherchen der Arbeitsgruppe, die Teil der "Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" ist, führten trotz Sichtung von rund 500 Volksgerichtssachen über Tötungsdelikte und andere NS-Verbrechen zu keinen weiteren Anklageerhebungen. Die Täter sind mittlerweile tot oder durch Verjährungsfristen geschützt.

NS-Täter:innen sind in Österreich durch eine Verjährungsbestimmung geschützt, die für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe unmöglich macht. Die Arbeitsgruppe konnte die Änderung dieser Verjährungsbestimmungen in Österreich anstoßen. Seit 2015 sind alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen von der Sonderbestimmung ausgenommen. Für die NS-Täter hat das keine Auswirkung, aber für Prozesse in Österreich gegen Kriegsverbrecher im Jugoslawien-Krieg oder anderer kriegerischen Auseinandersetzungen.

Natasa Konopitzky spricht mit der Historikerin Claudia Kuretsidis-Haider über die österreichische Nachkriegsjustiz im Vergleich zu deutschen, die geringe Finanzierung der "Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz" und den Umgang mit Kriegsverbrechen heute. Die Redaktion freut sich über Ihre Beteiligung am Gespräch, telefonisch unter 0800 22 69 79 oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at.

Sendereihe

Playlist

Urheber/Urheberin: GYÖRGY LIGETI
Titel: MUSICA RICERCATA - 11 Stücke für Klavier
Nr.5 Rubato. Lamentoso
Solist/Solistin: Erika Haase/Klavier
Ausführender/Ausführende: Erika Haase/geb.1935, Darmstadt
Länge: 02:59 min
Label: col legno / Aurophon

Urheber/Urheberin: GYÖRGY LIGETI
Titel: MUSICA RICERCATA - 11 Stücke für Klavier
Nr.2 Mesto. Parlando
Solist/Solistin: Erika Haase/Klavier
Ausführender/Ausführende: Erika Haase/geb.1935, Darmstadt
Länge: 03:12 min
Label: col legno / Aurophon

Urheber/Urheberin: GYÖRGY LIGETI
Titel: MUSICA RICERCATA - 11 Stücke für Klavier

Nr.1 Sostenuto/Misurato, stringendo al prestissimo
Solist/Solistin: Erika Haase/Klavier
Ausführender/Ausführende: Erika Haase/geb.1935, Darmstadt
Länge: 02:21 min
Label: col legno / Aurophon

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