Regenwolken

APA/DPA/ARNE DEDERT

Punkt eins

Kann das Gestern wie heute sein?

Über die Legitimität und Sinnhaftigkeit historischer Vergleiche.
Gäste: Priv. Doz. Dr. Heidemarie Uhl, Historikerin, Österreichische Akademie der Wissenschaft & Prof. Dr. Martin Sabrow, Historiker, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.
Moderation: Marlene Nowotny.
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"Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen", so lautet ein viel gebrauchtes Zitat. Oft wird es verwendet, um einen historischen Vergleich zu untermauern. Derzeit geschieht das häufig mit Blick auf die Ukraine und den russischen Angriffskrieg: Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärte, Putin plane die Vernichtung der Ukraine im Sinne einer "Endlösung". Andere vergleichen den russischen Machthaber mit Stalin - ein Diktator, der unter Paranoia litt und sein Volk massakrierte. Während Putin umgekehrt versucht, den Angriffskrieg mit der "Entnazifizierung" der Ukraine zu rechtfertigen.

Wann sind solche Vergleiche legitim? Leisten sie etwas für die Debatte? Oder streifen sie Tabus, die besser unberührt bleiben sollten? Dass es historische Vergleiche gibt, die gesellschaftlich tabuisiert sind, zeigte nicht zuletzt der Historikerstreit 2.0. Hier wurde und wird heftig darüber debattiert, ob man Antisemitismus und Rassismus vergleichen könne, ob man die Genozide, verübt durch "Kolonialherren", den Gräuel der NS-Herrschaft gegenüberstellen könne. Wird dadurch die Einzigartigkeit der Shoa in Frage gestellt?

Mit solchen Fragen rund um die Sinnhaftigkeit und Aussagekraft historischer Vergleiche beschäftigt sich in den nächsten Tagen eine Konferenz an der Akademie der Wissenschaften, an deren Organisation und Konzeptionierung die Historikerin Heidemarie Uhl beteiligt ist. Sie wird sich etwa mit der Singularität des Holocaust befassen, mit dem in den 1980er Jahren aufgekommenen Vergleich zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus, der damals noch die Verantwortung der deutschen und österreichischen Gesellschaft schmälern sollte.

Heidemarie Uhl wird gemeinsam mit Martin Sabrow bei Marlene Nowotny zu Gast sein. Der deutsche Historiker argumentiert, dass der historische Vergleich schnell trügerisch wird. Denn die Geschichte könne sich schon allein deswegen nicht wiederholen, weil sich die Menschen vor einhundert Jahren wiederum an ihren historischen Beispielen orientierten. Das kritisiert Sabrow etwa bei Vergleichen der Weimarer-Republik mit gegenwärtigen Entwicklungen, wie beispielsweise dem Aufstieg von Rechtspopulisten in Deutschland. Ein unreflektierter Vergleich könne zum alarmistischen Problemverstärker werden und die Gefahr, die er abwehren will, erst recht schüren.

Wann also sind historische Vergleiche zulässig und sinnvoll? Wann sollte man historische Ereignisse nicht gegenüberstellen? Und was kann man im Idealfall von solchen Vergleichen lernen? Über diese Fragen diskutierten wir in dieser Ausgabe von Punkt eins. Rufen Sie an und reden Sie mit unter 0800 22 69 79 kostenfrei aus ganz Österreich oder schriftlich an punkteins(at)orf.at

Service

Die Jahreskonferenz 2022 des Instituts für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichische Akademie der Wissenschaften zum Thema "Der historische Vergleich. Erkenntnisgewinn und Kampfzone" findet von 6. bis 7. Oktober am Campus der ÖAW, Bäckerstraße 13, statt.

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