Zwischenruf

World-Sight-Day

Warum ihre Blindheit keine Einschränkung für sie ist erzählt die Gymnasiastin Emma Lipka

Blind - das ist ein Wort, das furchtbar klingt. Furchtbar für alle, die es nicht kennen. Nicht aber für mich. Ich bin bereits seit meiner Geburt vor 17 Jahren blind, weil mein Sehnerv einfach nie angelegt wurde. Deshalb bin ich mit diesem Wort aufgewachsen und es hat mich nie gestört.

Natürlich wäre es manchmal praktisch zu sehen, besonders, wenn es darum geht, von Ort zu Ort zu kommen. Aber eigentlich ist es gar nicht so schlimm, die Augen nicht benutzen zu können. Man lernt dadurch, sich mehr auf seine anderen Sinne und Fähigkeiten zu verlassen. Zum Beispiel kann ich in der Schule nicht so einfach zur Tafel schauen, wenn Lehrer etwas aufschreiben, sondern muss es entweder gleich mitschreiben, oder es mir merken. Was würde ich nur ohne meine Merkfähigkeit anfangen?

Ohne Erinnerungsvermögen hätte ich auf lange Sicht gar nichts von all dem Interessanten, das es auf dieser Welt zu entdecken gibt. Das wäre für eine neugierige Person wie mich die Hölle auf Erden! Am liebsten würde ich alles Mögliche ausprobieren, Abenteuer erleben und mir alles Wissen der Welt aneignen, doch kann ich dies auch nur in einem Rahmen, in dem es für einen einzelnen Menschen schaffbar ist.

Meine Blindheit stellt mir dabei nur kleine Hindernisse in den Weg, die alles in allem relativ rasch von mir oder anderen durch Kommunikation beseitigt werden können. Bis jetzt war es zumindest immer so, dass ich, nach mehr oder weniger langwierigen Diskussionen, alles, was ich ausprobieren wollte, ganz normal wie jeder andere Mensch auch tun konnte. Meinen armen Lehrerinnen und Lehrern, die mich tatkräftigst unterstützen, seit ich vor fast acht Jahren in die erste Klasse des Gymnasiums Draschestraße gekommen bin, frage ich übrigens mehr Löcher in den Bauch, als es viele sehende Schülerinnen und Schüler tun, weil ich - wie schon erwähnt - alles ganz genau wissen möchte.

Was das angeht, habe ich echt Glück, dass ich im 21. Jahrhundert in Österreich geboren wurde. Wenn man bedenkt, dass andere Menschen anderswo wegen ihrer Blindheit kaum Möglichkeiten hatten, Bildung zu bekommen, und teilweise immer noch nicht haben. Dann wird einem gleich ganz anders.

Kürzlich habe ich zum Beispiel einen biografischen Roman gelesen, in dem es um ein chinesisches blindes Mädchen aus dem 20. Jahrhundert geht. Die Hauptperson musste es sich hart erkämpfen, dass sie etwas lernen konnte; hätte sie nicht Mut aus der christlichen Religion geschöpft und hätte sie nicht so fest daran geglaubt, dass Gott einen Grund dafür hatte, sie auf die Welt zu schicken, hätte sie es nicht geschafft.

Ich finde den Gedanken, dass Gott für alle Menschen eine Aufgabe hat, sehr tröstlich. Und ich wünsche Ihnen, dass Sie sich daran erinnern, sollten Sie sich jemals unglücklich in Ihrer Lebenssituation fühlen. Für den Fall, dass Sie an eine höhere Macht glauben, die Sie begleitet und Ihnen Gutes tun will. Meiner Meinung nach muss es aber auch nicht unbedingt Gott sein, der dafür verantwortlich ist, dass es jeden einzelnen Menschen gibt. Es reicht für mich schon, daran zu denken, dass jedes Lebewesen gut so ist, wie es ist. Meiner Überzeugung nach ist es nämlich so: Noch wichtiger, als irgendeine Religion auszuüben, ist es, an sich und andere zu glauben.

Service

Contrast - Frühförderung für blinde, sehbehinderte und mehrfachbehindert-sehgeschädigte Kinder

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Keith Jarrett
Album: BOOK OF WAYS - THE FEELING OF STRINGS / Vol.2
Titel: No.17/instr.
Nr
Solist/Solistin: Keith Jarrett /Clavichord
Länge: 04:03 min
Label: ECM 1345 / 8313962 (2 CD)

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