Stacheln im Fleisch der Gesellschaft

28. Oktober 2022, 13:00

"Ich bin so depressiv" - im Volksmund ist die "Diagnose" schnell gestellt. Doch dass auch Kinder und Jugendliche an Depressionen leiden können, wird von vielen als erschreckend und absurd abgetan. Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) werden einem Kind dagegen schnell einmal zugeschrieben, wenn sein Temperament ein wenig lebhafter ist.

Nicht erst seit Beginn der Pandemie wird über eine steigende Anzahl psychischer Erkrankung im Kindes- und Jugendalter berichtet. Ein Trend, den Expert:innen wie Lisa Pongratz von der Abteilung für Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am LKH Graz seit Jahren im beruflichen Alltag bemerken. Warum?

Wie sich Persönlichkeiten entwickeln und was dazu beiträgt, dass sie gesund bleiben - diese Fragen haben Lisa Pongratz bereits in ihrem Studium beschäftigt, während ihrer Ausbildungszeit und als Schulpsychologin in Wien. Weil sie kein altersadäquates Arbeitsmaterial finden konnte, mit dem sie Kindern und ihren Angehörigen erklären konnte, was eine Depression ist oder was die Diagnose ADHS bedeutet, schritt sie selbst zur Tat. Heuer erschienen die ersten beiden ihrer psychoedukativen Bücher im Springer Nature Verlag, in denen der kleine Igel Igelino die jeweilige psychiatrische Erkrankung darstellt: Aufmerksamkeitsstörungen und Depressionen. Im Anschluss an eine Geschichte mit Bildern erläutert die Psychologin die Krankheit, die Risikofaktoren und Therapiemöglichkeiten und bietet dazu eine Fülle von (präventiv wirksamen) Ressourcenübungen für die ganze Familie.

"Ich möchte mit meinen Büchern zu mehr Aufklärung, Enttabuisierung und somit zu einem stärkeren Bewusstsein für Risikofaktoren, Frühwarnzeichen und vorbeugende Ressourcen beitragen", sagt Lisa Pongratz, die für 2023 vier neue Bücher über Ängste, Aggressionen, Schlaf- und Zwangsstörungen geplant hat.

Wie sprechen wir über Gefühle, über psychische Gesundheit und welchen Raum für Bewältigung bieten wir Emotionen wie Trauer, Angst oder Wut? Wie begegnen wir als Gesellschaft Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden und wie steht es um die Aufklärung über psychische Gesundheit? Wie können Eltern, Angehörige, Institutionen und die Gesellschaft den Jüngsten ein gesundes Aufwachsen ermöglichen, psychischen Erkrankungen vorbeugen und Ressourcen für den Umgang mit Belastungen bereitstellen?

Über Respekt und Grenzen, gemeinsame Zeit und die Fähigkeit zum Zuhören, die Bereitschaft zum Miteinander, den Raum für Gefühle und die große "Baustelle" der Kinder- und Jugendgesundheit spricht Lisa Pongratz als Gast bei Barbara Zeithammer.

Die Hörer:innen von Punkt eins sind wie immer herzlich eingeladen, sich mit Fragen, Gedanken und Thesen zum Thema an der Diskussion zu beteiligen: Sie erreichen uns unter 0800 22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich, oder unter punkteins(at)orf.at

Service

Igelino - Psychoedukative Bücher nicht nur für Kinder.

Lisa Pongratz, Meggie Klimbacher (Illustrationen): Igelino lacht nicht mehr. Depressionen kindgerecht erklärt. Springer 2022

Lisa Pongratz, Meggie Klimbacher (Illustrationen): Igelino hat Hummeln im Bauch. Aufmerksamkeitsstörungen kindgerecht erklärt. Springer 2022

Telefonseelsorge 142, täglich, von 0 bis 24 Uhr.
Rat auf Draht 147 Kindernotruf 24 h.
Hilfe in akuten Krisen
Sozialpsychiatrischer Notdienst PSD - Psychiatrische Soforthilfe im Krisenfall unter 01 31330, täglich 0-24 Uhr
Kriseninterventionszentrum 01 406 95 95 (Montag bis Freitag, 10-17 Uhr); auch persönliche und E-Mail-Beratung

Frauenhelpline 0800 222 555
Männernotruf 0800 246 247

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Barbara Zeithammer