Mutterkindpass

APA/BARBARA GINDL

Medizin und Gesundheit

Der Mutter-Kind-Pass in Turbulenzen

Für einen gesunden Start ins Leben

Das kleine, gelbe Heftchen, das den werdenden Müttern und den Jüngsten als gesundheitlicher Begleiter dient, ist in den vergangenen Wochen in die Schlagzeilen geraten: Droht gar das Aus für das "Erfolgsmodell" Mutter Kind-Pass? Zankapfel ist das Honorar für jene Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie, Kinderheilkunde und Allgemeinmedizin, die die vorgesehenen Untersuchungen durchführen. Schließlich wurde der Tarif von 18 Euro in den vergangenen 28 Jahren, trotz gestiegener Anforderungen und immer aufwändigeren, diagnostischen Methoden, nicht angehoben.

Die Ärztekammer drohte nun mit einem vertragslosen Zustand. Die kostenfreie Vorsorge für Mütter und Kinder wäre damit nach einem halben Jahrhundert vorbei. Eine Lösung scheint allerdings in Sicht, denn keine der beteiligten Parteien möchte dieses gut etablierte und niederschwellige Instrument missen, das auch Kindern aus sozial, schlechter gestellten Familien eine strukturierte medizinische Versorgung ermöglicht
In den vergangenen Tagen gab es bei den Verhandlungen Annäherungen und der Gesundheitsminister hat sich zum Weiterbestand des kostenlosen Mutter-Kind-Passes bekannt und es sollen auch weitere Leistungen darin aufgenommen werden.

MuKi - Erfolgsmodell seit fast 50 Jahren

1974 von der damaligen Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter aus der Taufe gehoben, ging es anfangs darum, die Säuglingssterblichkeitsrate zu senken. Mit Erfolg, denn bereits wenige Jahre nach der Einführung des Passes ging diese Rate um 40 Prozent zurück. Auch die Müttersterblichkeit reduzierte sich um die Hälfte.
Mittlerweile steht die Reduktion der Frühgeburten im Mittelpunkt, die Früherkennung schwerer Erkrankungen, sowie eine gesundheitliche Begleitung für den Start ins Leben.

Bedingung für das Kinderbetreuungsgeld

Ganz freiwillig läuft die Sache nicht ab: So ist der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes - im Gegensatz zur Durchführung empfohlener Impfungen - an die ersten zehn Untersuchungen geknüpft (fünf geburtshilfliche Untersuchungen während der Schwangerschaft und weitere fünf Untersuchungen des Kindes bis zum 14. Lebensmonat). Hinzu kommen weitere fakultative Angebote, wie die Hebammensprechstunde in der 18. bis 22. Schwangerschaftswoche, der orthopädische Hüftultraschall, ein Hörscreening oder weiterführende Untersuchungen bis ins Schulalter.
Darüber hinaus wird unmittelbar nach der Geburt beim Neugeborenen-Screening über einen Blutstropfen aus der Ferse des Kindes nach seltenen, angeborenen Erkrankungen gefahndet. Eine Untersuchung, die routinemäßig in der Geburtsklinik bzw. bei Hausgeburten durchgeführt wird.

Reformbedarf beim MuKi

Kritisiert wird, dass die im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Untersuchungen den medizinischen Entwicklungen hinterherhinken. Mit einem angepassten Screening könne man Erkrankungen und Entwicklungsstörungen bereits früh erkennen und auch Gegenmaßnahmen ergreifen, wie der Kinderarzt Reinhard Kerbl erklärt.

Kinder bis zum 18. Lebensjahr begleiten

Es klafft auch eine Lücke zwischen dem vorhandenen Angebot bis zum 6. Lebensjahr und der Erwachsenen Vorsorgeuntersuchung ab 18. Mit derartigen Themen wurde einst die Mutter-Kind-Pass-Kommission, später eine interdisziplinäre Facharbeitsgruppe betraut. Bis heute steht eine Aktualisierung jedoch aus. Neben der fachlichen Weiterentwicklung und einem Schwerpunkt auf ein qualitätsgesichertes Screening zur psychischen Gesundheit soll der Pass künftig auch digitalisiert werden. Die entsprechende Reform sei, laut Gesundheitsministerium "bereits im Finale".

Vereinfachung des Ablaufes

Auf der anderen Seite werden auch bürokratische Hürden für die Eltern kritisiert. So berichtete Volksanwalt Bernhard Achitz jüngst über Fälle, bei denen 1.300 Euro Kinderbetreuungsgeld zurückgezahlt werden musste, da die Bestätigung für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung einen Tag zu spät in der Krankenkasse eingelangt war.


Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos widmet sich diesmal, aus aktuellem Anlass, dem gesundheitlichen Reisepass für den Start ins Leben.


Eine Sendung von Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Halten Sie die verpflichtenden Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes für sinnvoll?
Wie sehen Sie die aktuelle Debatte über den möglichen vertragsfreien Zustand?
Ist Reformbedarf angezeigt, auch um bürokratische Hürden für Eltern, etwa bei zu späten Einreichungen, abzubauen?

Service

Studiogäste:

Dr.in Marlies Haslinger
Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde
Doktopus Gruppenpraxis
Auhofstraße 185/2
A-1130 Wien
Tel.: +43 1 876 33 71
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Homepage

Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl
Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde
Generalsekretär der ÖGKJ
Leiter der Abteilung für Kinder und Jugendliche
LKH Hochsteiermark/Leoben
Vordernberger Straße 42
A-8700 Leoben
Tel.: +43 /3842/401-2438
E-Mail
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Dr. Michael Elnekheli
Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Präsident Berufsverband Österreichischer Gynäkologen
Thaliastrasse 31
A-1160 Wien
Tel.: +43/1/481 21 21
E-Mail
Homepage


Links:
Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde
Österreichisches Hebammengremium
Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Liga für Kinder- und Jugendheilkunde
Holprige Reform (ÖKZ, 2019)
Ende des Mutter-Kind-Passes? (news@orf.at, 2022)
Aussendung der Ärztekammer zum Mutter-Kind-Pass (OTS, 10/2022)
Erfolgsmodell Mutter-Kind-Pass (meinbezirk, 2022)
Infos zum Mutter-Kind-Pass (ÖGK, 2022)


Bücher:

Romanus Röhnelt
Kindergesundheit: Wie Sie Krankheiten erkennen.
Trias 2017

Stiftung Warentest Hrsg.
Hurra, schwanger!: Das Wichtigste zur Vorbereitung, Vorsorge, Gesundheit und Ernährung: Ganz entspannt durch die 40 Wochen
Stiftung Warentest 2021

Vitor Gatinho
Wenn der Rotz läuft und der Pups drückt: Die wichtigsten Antworten vom Kids.Doc rund um die Kindergesundheit
GU-Verlag 2022

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