Karl-Markus Gauß

APA/HERBERT PFARRHOFER

Gedanken für den Tag

Pinzgau als Mittelpunkt der Welt

Karl-Markus Gauss, Essayist, Kritiker und Herausgeber der Zeitschrift "Literatur und Kritik" ist "unterwegs im unbekannten Europa"

Einer meiner Lieblings-Salzburger ist Johann Jakob Fürstaller. Er wurde 1730 in die Armut geboren und ist 45 Jahre später als schwer überschuldeter Vater von acht Kindern in Bramberg am Wildkogel gestorben.

Dieser Ort im Oberpinzgau liegt noch heute ein wenig abseits, damals aber war es fast am Ende der Welt. Und ausgerechnet dort schuf Fürstaller, der sich sein enormes Wissen wer weiß wie angeeignet hat, einen Globus, der an der Linie des Äquators einen Umfang von dreieinhalb Metern hat und den er einst selbst in die Stadt brachte, um ihn einem ziemlich engstirnigen Erzbischof zu schenken. Das Wunderwerk, das auf der Höhe des Wissens seiner Zeit stand, befindet sich heute in der alten Bibliotheksaula. Es ist der schönste Globus, den ich je gesehen habe und übrigens der einzige, auf dem Bramberg eingezeichnet ist.

Das ist zum Lachen, aber keineswegs lächerlich, denn der wunderliche Gelehrte hat etwas gewusst, was wir in der digitalen Ära zu vergessen drohen: dass nämlich auch die Erkenntnis ihren Ort hat. Und sein Ort, von dem er sich die Welt erschloss, war eben dieses weltabgelegene Dorf im Salzachtal.

Das schlichte Holzhaus, in dem er gelebt hat, steht heute noch da, und geht man ein paar Meter weiter, befindet man sich auf dem Kirchplatz, der neuerdings nach dem Pfarrer Andreas Rieser benannt ist, der tapfer gegen die Nationalsozialisten predigte und dafür fast sieben Jahre in Konzentrationslagern geschunden wurde. Wenn man Glück hat, trifft man den Wiener Historiker Rudolf Leo, der seine Heimatgemeinde oft besucht, zwei Bücher über den Nationalsozialismus in Salzburg geschrieben hat und eindringlich von Denunzianten, aber auch von zahlreichen Pinzgauern und Pinzgauerinnen zu erzählen weiß, die Deserteure versteckten und Widerstand leisteten.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Johann Elias de Sylva 1716 - 1798
Album: KLINGENDE KOSTBARKEITEN AUS TIROL (CD01/7170/12_T)
Titel: Sinfonie in D-Dur, um 1760
* Andante
* Rigaudon (00:01:47)
* Polonaise (00:02:45)
* Rondeau (00:01:18)
* Gigue (00:02:11)
Ausführende: Innsbrucker Kammerorchester
Leitung: Othmar Costa
Länge: 04:04 min
Label: ITMf

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