Emine Sevgi Özdamar

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Tonspuren

Die Büchner-Preisträgerin Emine Özdamar

"Die magischen, papierenen Räume der Emine Sevgi Özdamar"
Ein Besuch bei der Georg-Büchner-Preisträgerin auf der türkischen Insel Cunda
Feature von Franziska Dorau

In den papierenen Räumen ihrer Literatur begibt sich die Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar lebhaft und voller Spiellust auf die Suche. Sie erkundet die Figuren, die ihre Kindheit bevölkerten, die Toten, die sich ins heute einmischen und ihr zweites Ich, mit dem sie Geheimnisse austauscht. Das leere Blatt macht sie zur Bühne, auf der sie erforscht, wie weit man die Grenzen der Realität dehnen und verschieben kann.

Als junges Mädchen, in der ehemaligen osmanischen Hauptstadt Bursa, schwor sie sich, Schauspielerin zu werden, weil sie poetisch leben und "das passive Leben ihrer Intelligenz wachrütteln" wollte. Im Alter von 18 Jahren ging sie als Gastarbeiterin aus Istanbul ins geteilte Nachkriegsberlin - eine Stadt, die ihr erschien wie ein abgebrannter Wald, aus dem die ersten grünen Sprossen hervorschossen. Ihr türkischer Pass erlaubte ihr, an Theatern sowohl in Ost- wie auch in Westdeutschland zu arbeiten, mit Regisseuren wie Benno Besson und Matthias Langhoff an der Berliner Volksbühne, mit Claus Peymann in Bochum und Franz-Xaver Kroetz in München. In Paris traf sie auf die vor Militärputsch und Verfolgung geflohenen türkischen, griechischen und armenischen Links-Intellektuellen um den Dichter Nazim Hikmet.

In ihren autobiographisch-surrealistischen Romanen gedenkt sie vieler dieser Weggefährten. Zuletzt in ihrem flirrenden Opus magnum "Ein von Schatten begrenzter Raum": "Wenn man von seinem eigenen Land einmal weggegangen ist", schreibt sie darin, "dann kommt man in keinem neuen Land mehr an. Dann werden nur manche besonderen Menschen dein Land." So lässt sie ihre Ich-Erzählerin auch in Begegnungen wohnen: "Wo wohnen Sie Madame? Ich wohne in Sartres Rücken. Ich wohne in Yasujiro Ozus Gedicht. Ich wohne in meinen schönsten Freunden, in Mehmet, Komet, Mübin, in der 210 Boulevard Raspail. Ich wohne mit den Toten in einem Schuhkarton. Ich wohne in den Schatten, die sich mit Leben erfüllen."

Symbolischer Dreh- und Angelpunkt des Romans ist die türkische Ägäis-Insel Cunda, auf der Emine Sevgi Özdamar seit vierzig Jahren mit ihrem Mann, dem Bühnenbildner Karl Kneidl, ihre Sommer verbringt. Franziska Sophie Dorau hat sie dort besucht.

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