Proteste in Berlin, 1923

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Radiokolleg

1923: Die politische Radikalisierung

1923 - das Jahr der Extreme (3)

Die Radikalisierung von links: in Sachsen und Thüringen regiert die SPD mit den Kommunisten. Es werden die sogenannten "proletarischen Hundertschaften" aufgestellt, bewaffnete Arbeiterwehren, die Stöcke und Waffen tragen. Man organsiert Proteste und erwartet vom Politbüro aus Moskau grünes Licht, um in Sachsen und Thüringen die Revolution auszurufen. Im Ruhrgebiet treten an manchen Tagen 300.000 Arbeiter in den Streik; sie fordern eine markante Erhöhung der Löhne, die angesichts der Inflation in Gold berechnet werden sollen.

Die Radikalisierung von rechts: Schon unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg war Bayern ein Hort der Rechten, als die Marinebrigade Erhardt die Arbeiter- und Soldatenräte aus München vertrieben hat. Als es zu immer stärkeren Spannungen zwischen der sogenannten "jüdisch-marxistischen" Regierung in Berlin und rechten Kräften in Bayern kommt, versucht Adolf Hitler mit der SA einen Putsch in München. Nach der symbolischen Absetzung der Berliner Regierung ist ein Marsch nach Berlin nach Vorbild der italienischen Faschisten geplant, die 1922 den Marsch auf Rom organisiert hatten. Hitlers Putsch scheitert. 1924 gerät der Gerichtsprozess und die Anklage wegen Hochverrats zur Farce. Ein Abschiebung Hitlers nach Österreich ist zuvor gescheitert.

Auch in Österreich ist die zunehmende Radikalisierung zu spüren: Im Wahlkampf für die Nationalratswahl im Oktober 1923 führen die Großdeutschen gemeinsam mit dem Landbund einen offen antisemitischen Wahlkampf. So rufen sie "Deutsche Arier" dazu auf, zu ihren Wahlveranstaltungen zu kommen, um für die Entziehung des Wahlrechts von "50.000 Ostjuden" einzutreten, die aus Sicht der Großdeutschen für die Wohnungsnot in Wien verantwortlich seien. Den Sozialdemokraten werfen sie vor, die Wiener Bevölkerung "Schritt für Schritt unter jüdische und tschechische Knechtschaft zwingen" zu wollen.

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Jutta Hoffritz: Totentanz - 1923 und seine Folgen, Gebundene Ausgabe, HarperCollins, 2022, 336 Seiten

Christian Bommarius: Im Rausch des Aufruhrs: Deutschland 1923, Gebundene Ausgabe, dtv Verlagsgesellschaft, 2022, 352 Seiten

Peter Süß: 1923 Endstation. Alles einsteigen!, Gebundene Ausgabe, Berenberg Verlag, 2022, 240 Seiten

Volker Ullrich: Deutschland 1923, Gebundene Ausgabe, C.H.Beck, 2022, 441 Seiten

Frank Stocker: Die Inflation von 1923: Wie es zur größten deutschen Geldkatastrophe kam, Gebundene Ausgabe, FinanzBuch Verlag, 2022, 368 Seiten

Mark Jones, Norbert Juraschitz (Übersetzer): 1923: Ein deutsches Trauma, Gebundene Ausgabe, Propyläen Verlag, 2022, 384 Seiten

Peter Longerich: Außer Kontrolle: Deutschland 1923, Gebundene Ausgabe, Molden Verlag, 2022, 320 Seiten

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  • Johannes Gelich