GEMEINFREI
Gedanken für den Tag
Nesthäkchen zwischen Stabilität und Veränderung
Ingrid Pfeiffer, Germanistin, über Else Ury, anlässlich des 80. Todestages der in Auschwitz ermordeten Schriftstellerin
12. Jänner 2023, 06:56
"Wenn man heute gesellig in einem Kreis ist, hat man das Gefühl, sich in einem Wartesaal zu befinden. Jeder hat ein fernes Ziel vor sich und spricht von Ausreise. Es fehlt der ruhende Punkt im Wirbel des Geschehens." So schreibt Else Ury im November 1938 in einem Brief.
Sie selbst blieb in Deutschland und war der ruhende Punkt in der in alle Himmelsrichtungen auswandernden großen Familie, denn sie war alleinstehend und hatte ihre kranke Mutter zu versorgen. Als diese 1940 92-jährig starb, war es für eine Ausreise zu spät. In den Briefen dieser Jahre zeigt sich an Else Urys persönlichem Leben, was sie in all ihren Büchern vermitteln wollte: Zugehörigkeit als hohes Gut zu verstehen und sich so zu verhalten, dass sie Bestand haben kann. Denn Familie, heißt es bei Heinrich Heine, ist die tragbare Heimat der Juden.
In Else Urys Büchern erscheinen die Familien beinahe als geschlossene Systeme, die für alle Mitglieder einen sichernden Bezugsrahmen darstellen. Es geht um Zusammenhalt und Solidarität. Das galt ihr auch als Idealvorstellung für die Gesellschaft als Ganzes. Deshalb dient Erziehung, zwar liebevoll und behutsam, doch ganz ohne Frage der Anpassung an diese Systeme. Nur von daher ist zu verstehen, dass Else Ury, wie viele Angehörige des gebildeten Bürgertums 1933 recht blauäugig hinter der "nationalen Erhebung" stand. Ihr letztes, Anfang 1933 erschienenes Buch, "Jugend voraus", spricht davon und beweist ihre Verkennung der politischen Lage, vor der man heute zurückschreckt.
Die zeitgenössischen literarischen Bewegungen dagegen waren für Else Ury kein Bezugsrahmen. Sie hielt sich, so scheint es, bewusst von den avantgardistischen Kreisen fern. Während, ganz in ihrer geographischen Nähe, etwa Autoren wie Benn und Else Lasker-Schüler in die Moderne aufbrachen, bewegte sie sich lebend und schreibend auf andere Weise.
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Tom Tykwer
Komponist/Komponistin: Johnny Klimek
Gesamttitel: Babylon Berlin / Original Fernsehmusik
Titel: Nachtlied/instr.
Untertitel: Score / CD1
Orchester: MDR Sinfonieorchester
Ausführende: Absolute Ensemble
Leitung: Kristjan Järvi
Ausführende: Instrumentalensemble
Länge: 03:44 min
Label: Warner 4050538349177 / BMG Rights Management (2 CD)
