Alina Dreyer

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Handwärmer aus Sprache

"Worte können schwerwiegende Probleme zwar oft nicht lösen, aber sie können uns in schwierigen Momenten den Rücken stärken", stellt Aline Dreyer, Schauspielerin und Dolmetschstudentin, fest

In letzter Zeit war ich oft wütend auf meine Angst. Ich sehe mich als nicht von Natur aus mutigen Menschen, der aber gerne aufregende Dinge erlebt. So erkläre ich mir zumindest, dass ich mich in so vielen Situationen mit Menschen vergleiche, die scheinbar wie selbstverständlich bewältigen, was für mich eine Kraftanstrengung ist.

Sei es beim Vorsprechen am Theater, auf einer Feier unter Fremden, oder auf halbem Weg zu einem steirischen Gipfel, zu dem ich unbedingt mitkommen wollte: Es gibt Momente, da habe ich das Gefühl, ich werde ständig von irgendeiner Angst zurückgehalten. Angst, schief angesehen zu werden, Angst, nicht dazuzugehören, Angst, nicht gut genug zu sein.

Das Wort Angst hat die indogermanische Wurzel anghu, was so viel heißt wie "beengend". Genauso fühlen sich die Fragen an, die daraus wachsen. Warum ist das für mich so schwer? Warum habe ich keine Freude bei etwas, das ich mir selbst ausgesucht habe? Wenn ich mich dabei so unwohl fühle - sollte ich es nicht besser ganz lassen? Auf diese letzte Frage hat mir vor Kurzem meine aus Brasilien stammende Tanzlehrerin geantwortet: Vai com medo, mas vai. Geh mit Angst, aber geh.

Angst ist in Ordnung. Angst ist letztendlich das, was uns davon abhält, mit einem Regenschirm von einem Hochhaus zu springen oder einen LKW in der Kurve zu überholen. Angst heißt, sich mit den eigenen Grenzen zu konfrontieren, sie abzutasten und dabei den Mut aufzubringen, einen Schritt darüber zu machen. An unbekannte, unsichere Räume zu denken: Erst dadurch entsteht die Möglichkeit zum Mut.

Geh mit Angst, aber geh. Einen Fuß vor den anderen setzen und erfahren, wie sich Mut anfühlt: Wie das Wissen, dass einem etwas nicht leichtfällt und man es trotzdem tut; wie die Erleichterung, wenn man wider Erwarten nicht vom Erdboden verschluckt wird, obwohl es sich so anfühlt, als müsse genau das jeden Moment passieren. Und mit jedem solchen Schritt wächst eine Stärke, die dem gewohnten "ich schaff das nicht" immer öfter antworten kann: "Ich kenne dieses Gefühl. Ich hatte es schon oft. Und meistens war die Angst um einiges größer als die Schwierigkeit, und um einiges kleiner als der Schritt, mit dem ich beide überwunden habe."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zbigniew Preisner
Gesamttitel: Trois Couleurs : Blanc / Original Filmmusik
Anderer Gesamttitel: Drei Farben : Weiß / Original Filmmusik
Titel: Morning At The Hotel
Ausführende: The String Sextet
Leitung: Zbigniew Paleta
Solist/Solistin: Zbigniew Paleta
Orchester: The Zbigniew Preisner Light Orchestra
Länge: 02:26 min
Label: Virgin 394722

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