Vera Ferra-Mikura, 1983

Vera Ferra-Mikura - PICTUREDESK.COM/BRANDSTAETTER IMAGES/VOTAVA

Gedanken für den Tag

Schreiben als literarische Luftnummer

Christian Teissl, Schriftsteller, zum 100. Geburtstag von Vera Ferra-Mikura

Er gilt als der Schutzpatron aller Liebenden: der Hl. Valentin. Sein heutiger Gedenktag ist ein ideales Datum für Liebesbeweise. An diesem Tag trägt man sein Herz auf der Zunge und lässt gerne Rosen sprechen.

An einem Valentinstag vor genau 100 Jahren ist die Wiener Dichterin Vera Ferra-Mikura zur Welt gekommen, die Zeiten allerdings, in die sie hineingeboren wurde, waren alles andere als rosig. Wien war damals die viel zu große Hauptstadt eines zum Kleinstaat geschrumpften Reiches. Die Folgen des Ersten Weltkriegs waren allgegenwärtig, die Armut war groß, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft gering. "Die Hoffnung auf morgen:/ Ein löchriges Boot. / Ich hisse das Segel / und stelle mich tot. // Die Hoffnung auf morgen: / ein löchriger Schuh. / Ich füll ihn mit Seufzern / und schnüre ihn zu."

Vera Ferra-Mikura wusste nur zu gut, wovon sie sprach, als sie die Verse schrieb, hatte sie doch selbst Enge und Elend der Vorstädte von klein auf erlebt. Die Eltern haben eine Tierfutter- und Vogelhandlung betrieben; der Vater ist früh gestorben, die Mutter hatte fortan das Geschäft allein zu führen. Große berufliche Perspektiven eröffneten sich der jungen Frau nicht, ein Studium war ihr verwehrt. Sie hat als Stenotypistin gearbeitet und als landwirtschaftliche Hilfskraft, fand aber literarische Förderer, die ihr Talent erkannten, und zählte 1945 zu den literarischen Nachwuchshoffnungen der ersten Stunde.

Der bald einsetzende Erfolg ihrer Kinder- und Jugendbücher hat es ihr erlaubt, vom Schreiben zu leben, verleitete sie aber nicht dazu, sich auf bewährte Rezepte zu verlassen. Das Schreiben ist für sie ein Wagnis geblieben. Als "literarische Luftnummer" hat sie einmal gleichnishaft ihr poetisches Tagewerk beschrieben. "Wo ungefähr", so fragt die Dichterin sich jeden Morgen, "baumelt heute mein Gedankenseil?" Ein Absturz, sie weiß es genau, ist jeden Tag möglich; alle schützenden Sicherheiten erweisen sich als schöne Illusion.

Service

6 Stanislaus-Bände, Verlag Jungbrunnen
"Lustig singt die Regentonne", Verlag Jungbrunnen
"Die Sackgasse", Milena-Verlag
"1, 2, 3, dann reite ich durch den ganzen Himmel", Bibliothek der Provinz
"Panoptikum", Bibliothek der Provinz
"Ausgewählte Gedichte", Podium

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Alexander Faris
Gesamttitel: Victorian Edwardian
* Unrequited love
Orchester: The Royal Philharmonic Orchestra
Leitung: Alexander Faris
Länge: 05:26 min
Label: Cavendish music CAV CD 5

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