S. FISCHER VERLAG
Ö1 Kunstsonntag: Tonspuren
Reimen mit Rose Ausländer
Die Dichterin, die sich ihr Exil baute - Das Leben der Rose Ausländer. Oder: Heute reimen wir auf Ukrainisch. Feature von Antonia Löffler
19. Februar 2023, 20:15
Frühling 2022. In einem Badezimmer im ukrainischen Czernowitz sitzt eine Frau vor ihrem Laptop. Sie hat Geflüchtete aus Kiew und Mariupol einquartiert und ihr Arbeitszimmer geräumt. Sie heißt Oxana Matiychuk, ist Literaturwissenschaftlerin und Expertin für das Werk und Leben der Lyrikerin Rose Ausländer. Ausländer wurde wie sie in Czernowitz geboren. Allerdings zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als die Stadt mondäner Außenposten der Donaumonarchie war, umgeben von Buchenland, der Bukowina.
"Mein Vaterland ist tot // Ich lebe in meinem Mutterland Wort", schrieb Rose Ausländer in den 1970er-Jahren, als die Bukowina nur noch in den Geschichtsbüchern existierte. Die deutsch-jüdische Lyrikerin hatte den Zerfall des Vielvölkerstaats, Kriege, Verfolgung und Exil erlebt, ihre Lebensgeschichte ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zu Gedichten verdichtete sie dieses Jahrhundert in einem Düsseldorfer Altersheim. Dort erklärte sie sich nach einem Unfall für bettlägerig und die Sprache - das Deutsch der Eltern und der Täter - zur neuen Heimat. Die nationalen Grenzen hatten sich zu oft als instabil erwiesen. "Alles kann Motiv sein", notierte sie in einem Essay und machte sich an ein wort- und wirkmächtiges Alterswerk. "Geheimschriftlich blättert sich mein Leben ab, Blatt für Blatt: Jahre, die sich Verse auf das undurchdringliche Woher - Wohin? machen. Ich lege Rechenschaft ab über meine Umgebung, Zustände, Zusammenhänge."
Wer die Frau, die sich ein Exil im Wort einrichtete, heute entdeckt, liest ihre Gedichte mit der unerwünschten Aktualität eines neuen Kriegs, der die Grenzen in Europa in Frage stellt. Feature über das Leben der Rose Ausländer und ihre Vergangenheit zu unserer Gegenwart.
Sendereihe
Gestaltung
- Antonia Löffler