Hoffnung in der Ukraine

25. Februar 2023, 06:56

Ich kriege Besuch aus Kyjiw. Er und sie, ein Ehepaar, beide hervorragende Kulturwissenschaftler, sind nach Wien wegen einer wichtigen Konferenz gekommen. Ein Westeuropa-Ausflug kostet diese Menschen zwei Tage Zugreise und viel Angst. Ihre Kinder bleiben zum ersten Mal mit den Großeltern in der Ukraine zurück.

Nichtsdestotrotz quatschen wir fast wie früher und trinken guten Wein. Ich erzähle, dass in meinem Bezirk viele Juden gelebt haben und eine riesige Synagoge gleich gegenüber dem Haus gestanden ist - zerstört in der Pogromnacht 38. Geschichten aus dem Holocaust nehmen wir alle seit einem Jahr äußerst persönlich.

Um zehn Uhr abends haben meine Gäste eine Liveschaltung mit einem französischen und einem kanadischen Fernsehsender. Für die beiden eine tägliche Routine, wie Zähneputzen. Er schaltet sich via Handy aus meinem Schlafzimmer dazu, sie aus dem Vorzimmer. Er spricht English, sie spricht Französisch. Nachher tauschen sie die Erfahrungen aus. Immer die gleichen Fragen, beklagt er. Wie geht es Ihnen, wie fühlen Sie sich, wie hat der Krieg Ihr Leben verändert? Was soll man noch darauf antworten?! Gut, dass sie überhaupt fragen, entgegnet die Frau, die möglichst rational zu bleiben versucht. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über Susan Sontag, so sprechen wir den Rest der Zeit, die wir haben, über ihre Ideen zur Fotografie.

Was fühlen Sie, wie geht es Ihnen, wo finden Sie Hoffnung, Frau Maljartschuk? Ich bekomme auch solche Fragen regelmäßig gestellt. Ihre ehrliche Beantwortung wünscht sich nach einem Jahr Krieg keiner, weder die Fragenden noch ich selbst. Gerne wäre ich eine Superheldin, gerne hätte ich kein Herz mehr. Stattdessen umarme ich meine Freunde immer fester. Es fällt mir immer schwerer, mich von Ihnen zu verabschieden.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler

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• Ukraine