Johanna Schwanberg

LUXUNDLUMEN/MARLENE FRÖHLICH

Gedanken für den Tag

Essen und Existenz

Was Essens-Bilder alles offenbaren können, zeigt Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien und Präsidentin vom Icom Österreich, auf

Was für eine Innigkeit, was für eine Ruhe! Und welche Klarheit in Farbwahl und Komposition! Das Renaissancegemälde aus der Werkstatt Lucas Cranach des Älteren in unseren Sammlungen berührt mich immer wieder aufs Neue, auch wenn ich es schon unzählige Male betrachtet habe.

Dabei ist das Motiv ein in der europäischen Kunstgeschichte seit dem Mittelalter häufig Dargestelltes. Zu sehen ist ein äußerst intimer Moment einer Mutter-Kind-Beziehung: Maria hält ihr Kind liebevoll im rechten Arm, mit der linken, gespreizten Hand gibt sie dem Kind ihre Brust. Der trinkende nackte Säugling blickt aus dem Bild - so als würde er mich als Betrachterin anschauen.

Mich fasziniert dieses Bild, weil es zeigt, dass die Nahrungsaufnahme aufs Engste mit dem Kreislauf des Lebens und allen damit verbundenen Emotionen verknüpft ist. Essen begleitet die menschliche Existenz von der ersten Nahrungsaufnahme unmittelbar nach der Geburt in Form des Gestilltwerdens oder des Fläschchenbekommens bis zum Tod. Dabei geht es nicht nur um das notwendige Überleben, sondern besonders auch um das damit verbundene Knüpfen von Beziehungen, wie die Cranach-Madonna nahelegt.

Es gibt kaum ein wichtiges persönliches Ereignis im Leben eines Menschen, das nicht mit einem gemeinsamen Essen begangen wird - sei es im Anschluss an ein religiöses Ritual im Rahmen von Taufe, Bar-Mizwa, Konfirmation, Hochzeit und Begräbnis oder anlässlich der Beendigung eines schulischen oder beruflichen Lebensabschnitts wie Matura, Lehrabschluss oder Pensionierung. Welche Relevanz das Essen hat, spiegelt sich in Religionsgemeinschaften nicht nur durch das Gemeinschaftsmahl, sondern auch durch Speisegebote und den zeitweiligen Verzicht auf Nahrung.

Als Mutter geht mir dieses Bild auch aus ganz anderem Grund nahe. Es erinnert mich an die ersten Wochen mit meinen Kindern. An eine Zeit der nahezu grenzenlosen Liebe und Hingabe. An eine Lebensphase, in der weder Nachrichten noch meine Arbeit, noch die Hektik der Konsumgesellschaft mich aus der Ruhe bringen konnten - da es einzig und allein um die existenziellsten Dinge des Lebens wie die Ernährung meiner Kinder ging. Dass es Kunst gelingt, derart besondere Momente des Lebens einzufangen und sie noch dazu mit einer spirituellen Botschaft zu verknüpfen, macht sie für mich so unverzichtbar für die Gesellschaft.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Philipp Telemann 1681 - 1767
Album: BAROCKE TRIOSONATEN - AUF ORIGINALINSTRUMENTEN
* Dolce - 3.Satz (00:03:24)
Titel: Trio in e-moll für Traversflöte, Oboe und B.c. - Nr.4 aus "Tafelmusik" 2.Teil Nr.1-6, P.27,2
Ausführende: Concert Royal
Ausführender/Ausführende: Laurie Dean
Ausführender/Ausführende: Alfredo Bernardini
Ausführender/Ausführende: Olaf Reimers
Ausführender/Ausführende: Karla Schröter
Länge: 03:24 min
Label: Christophorus CD 74603

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