Verschwommene Spiegelungen auf der Wasseroberfläche

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Poetisch radikal

"Anthropologie des Wassers" von Anne Carson. Aus dem amerikanischen Englisch von Marie Luise Knott. Es liest Silvia Meisterle. Gestaltung: Nicole Dietrich

Wie verschieden Mann und Frau sind, mag in Geschlechterkampf-Phrasen münden, oder aber - wie bei der kanadischen Lyrikerin Anne Carson - in ein Staunen, ein Herantasten an Seins-Zustände, die Toleranz und Zwischenraum für sich beanspruchen. In "Anthropologie des Wassers" verwebt die 1950 in Toronto geborene Dichterin, Altphilologin und Übersetzerin drei Reise-Tagebücher in ihre sphärische Sprachwelt: Sie wandert den Jakobsweg nach Santiago di Compostela; sie umkreist die Einzig- bzw. Verschiedenartigkeit von Männern und Frauen während einer Reise durch die USA und sie erzählt vom Schwimmen in einem Waldsee - eine Reminiszenz an ihren früh verstorbenen Bruder. Erinnerungsfragmente, Reisejournal und Beziehungschronik vermischen sich.

Als Motti der einzelnen Kapitel stehen zen-buddhistische Weisheiten, die die unsichtbaren Fäden dieser unberechenbar spannenden, poetisch radikalen Tagebücher bilden. Das Buch erschien 1995 unter dem Titel "Plainwater. Essays and Poetry" und wurde 2014 von Marie Luise Knott ins Deutsche übersetzt und kommentiert.

Anne Carson zählt im englischsprachigen Raum zu den bedeutendsten Dichterinnen der Gegenwart. Zudem ist sie Altgräzistin, Homer-Spezialistin, Sappho-Übersetzerin und Sophokles-Kennerin. Ihr von Formwillen und Durchlässigkeit geprägtes umfangreiches poetisches Werk wurde mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet, u.a. dem T.S. Eliot-Preis für Poesie (2001).

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Anne Carson, "Anthropologie des Wassers". Aus dem amerikanischen Englisch von Marie Luise Knott. Matthes & Seitz Berlin, 2014

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