Nielsen, Nielsen, Nielsen

7. Juni 2023, 14:05

Nielsen-Ohren waren im April nach Kopenhagen ausgerichtet. In sechs Konzerten im Wochenabstand gruppierten sich um Nielsens sechs Symphonien seine drei Instrumentalkonzerte (für Violine, Flöte und Klarinette), Chor- und populäre Orchesterwerke.


Nicht ganz der dänische Donauwalzer

Das erste Konzert begann mit dem dänischen Donauwalzer: Was im ORF zum Jahreswechsel gleich nach dem Geläute der Pummerin der Donauwalzer, das war bis vor einigen Jahren im Dänischen Rundfunk Nielsens Helios-Ouvertüre. Der Vergleich war auch sonst schief: Zuvor gabt es meist drei a-capella Chöre Nielsens: Vaer velkommen, Herrens ar, Kong Christian und Der er et yndigt land (der Text der dänischen Hymne mit Nielsens neuer Melodie).



Leichte Mischung

Das RSO Dänemark (internationaler Name: Danish National Orchestra) und sein Chefdirigent Fabio Luisi ließen Nielsens "Lyrische Humoreske" folgen. Das wäre Nielsens Titel für die als Auftragswerk entstandene Kantate "Frühling auf Fünen" gewesen, deren Stil er mit "leicht und schwungvoll" beschrieb. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er den "richtigen Ton und Stil: eine leichte Mischung aus Poesie und Humor." 1921 hatte Nielsen für dieses charmante Werk - ein Auftragswerk "diverser Gesellschaften" - seine Arbeit an der gewichtigen, dramatischen und komplexen 5. Symphonie unterbrochen.


Wie ein Kind, das mit Dynamit spielt

Aber schon Nielsen Symphonieerstling lässt seinen Individualstil erkennen. 25 war Carl Nielsens alt, da erlebte er 1890 in Deutschaland eine Aufführung der 5. Beethoven. Beeindruckt war er von Beethovens konzentrierter Verwendung, dann Ausarbeitung eines kurzen, unscheinbar anmutenden Motivs. Zum besseren Verständnis schrieb er Beethovens Symphonie notengetreu aus dem Gedächtnis.

Nielsen 1. Symphonie entstand 1891/92. "Wie ein Kind, das mit Dynamit spielt", so empfand der damals einflussreichste Kritiker Kopenhagens die explosiven Anfangstakte dieses erstaunlichen Symphonieerstlings. Das Anfangsmotiv erinnert nicht an den Beginn von Beethovens "Fünfter", sondern an die Eröffnungstakte der "Orgie der Briganten", dem Finale der 1834 uraufgeführten Symphonie "Harold in Italien" von Hector Berlioz. Nielsen hatte dieses Werk als Geiger im Orchester selbst gespielt.

Der englische Komponist und Nielsen-Exeget Robert Simpson hat bereits in Nielsens Erstling eines seiner Charakteristika in Ansätzen entdeckt: die "progressive Tonalität", gemeint ist auch "erweiterte Tonalität". Aber es gibt immer einen Grundton, auf den sich das Ohr verlassen kann. Nur zweien seiner sechs Symphonien hat Nielsen keinen Titel gegeben - dieser ersten und der etwa 30 Jahre später entstandenen 5. Symphonie.

In seinem Mozart-Essay (1906) wird Nielsen differenzierter. Von Beethoven sei zu lernen, wie ein Allegro-Satz zu bauen ist: zwei Themen und "Modulationpassagen". Er sei "der größte Architekt der Musik", aber er lasse sich formal zu sehr einengen, seine Musik werde steif und unnachgiebig. An Mozart hingegen bemerkt er Unruhe und Unregelmäßiges, die kunstvoll über scheinbar Regelmäßiges gelegt werden: "Was sich der erlaubt: großartig!" Er lockere jede Fessel und "sagt alles, was er zu sagen hat, auf die überzeugendste Art. Einfälle, die zunächst an einer Stelle nichts zu suchen haben, stellen sich als völlig notwendig heraus. Ein lächelndes Motiv taucht neben einem ganz ersthaften auf; kaum ist ein Gedanke formuliert, drängt sich schon der nächste nach auf; aber das Ganze bewegt sich mit so einer Sicherheit und Ordnung vorwärts, dass man nie verwirrt wird oder den Faden verliert."

Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Peter Kislinger