Christine Lavant: Göttliche Erotik

7. Juni 2023, 06:56

Johannes Pettauer, Kaplan der Stadtpfarre Wolfsberg, der Nachbargemeinde ihres Wohnorts St. Stefan, nannte die Dichterin öffentlich einmal "eine aggressive, Gott-lose Person, welche sich seines Namens nur als Vorwand bedien(t)."

In ihrem sehr erfolgreichen Lyrikband "Die Bettlerschale" aus dem Jahre 1956 verwendet Christine Lavant für die Beschwörung ihrer sehr irdischen, letztlich nicht lebbaren Liebe zu dem Maler Werner Berg eine Metaphorik, die sich eng an die Bildwelten des Katholischen anlehnt. So, wenn hinter dem Namen und der Anrufung Gottes unverkennbar eine konkret diesseitige Mannesgestalt zu erahnen ist. Damit standen die Gedichte in einem vertrauten Kontext, schlugen gleichzeitig jedoch in ihrer emotionalen Vehemenz, ihrem Aufbegehren und ihrer herausfordernden erotischen Direktheit einen völlig neuen Ton an.

Kaplan Pettauer erkannte Christine Lavants Poetik richtig und tat ihr bitter Unrecht. Denn eine "aggressive, Gott-lose Person" war sie nie. Sie war nicht so streng kirchengläubig wie die von ihr heiligmäßig verehrte und verklärte Mutter, aber sie war im Leben und in ihrem Schreiben bewusst und entschieden immer auf der Seite der Mühseligen und Beladenen. Sie sah die Kirche und ihre Diener in ihrem Machtanspruch und in ihrer Verbindung mit den Mächtigen sehr genau und hat ihre falschen Gesten und scheinheiligen Reden exakt beschrieben. Der eindrucksvollste Beleg dafür ist ihre Erzählung Das "Wechselbälgchen". Mit dem gestrengen Duldiger-Pfarrer, der zuletzt doch Barmherzigkeit zeigt. Das ist Weltliteratur aus dem Lavanttal.

Service

Christine Lavant, "Ich bin maßlos in allem", ausgewählt und kommentiert von Klaus Amann, Wallstein Verlag
Klaus Amann und Doris Moser (Hg.), "Christine Lavant. Werke in vier Bänden", Wallstein Verlag

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler