Thomas Adès am Pult des RSO Wien

13. Juni 2023, 19:30

Er ist einer der seltenen musikalischen Universalgelehrten - preisgekrönter Pianist, international erfolgreicher Dirigent und einer der bekanntesten britischen Komponisten der Gegenwart: Thomas Adès. Ob Composer in Residence beim Lucerne Festival, Träger der Janá?ek-Medaille für seine Aufnahmen von Janá?eks Klaviermusik oder in Personalunion als Komponist und Dirigent bei den Salzburger Festspielen: Thomas Adès glänzt in jedem seiner musikalischen Fächer.

Die Zeit der Pandemie zwang den umtriebigen Musiker zu einer Pause, die er - natürlich - zum Arbeiten nutzte: Adès nahm sich seine älteren Kompositionen wieder vor und über- oder bearbeitete sie. In diesen Zeitraum fällt auch die Komposition der Exterminating Angel Symphony (2020). Sie erinnern sich bestimmt: 2016 führte das RSO Wien unter großem Erfolg Adès' dritte Oper, The Exterminating Angel, nach einem Film von Luis Buñuel bei den Salzburger Festspielen auf.

In der Exterminating Angel Symphony komprimiert Adès die Musik und Handlung dieser Oper auf vier Sätze für Orchester. Den ersten Satz nennt er Entrances - alle Gäste des Ehepaars de Nobile kommen nach einem Opernbesuch in deren Villa an - und das gleich zwei Mal. Das zweite Eintreten markiert den Zeitpunkt des Fluchs durch den "Exterminating Angel" - ab jetzt kann niemand mehr die Villa verlassen oder betreten. Der zweite Satz, March, beschreibt die erste gemeinsame Nacht der Gäste in der Villa unter dem Fluch des Engels und in Berceuse macht sich Verzweiflung breit, vor allem bei den beiden Liebenden Beatriz und Eduardo.

Im vierten Satz, Waltzes, werden die Scherben der vorhergehenden drei Sätze wieder zusammengesetzt, und es entsteht etwas völlig Neues und nur vermeintlich Erlösendes. Adès: "Was mich am Walzer am meisten interessiert, ist die Verführungskraft dieser Musik. Ich habe oft das Gefühl, dass die Walzer von Johann Strauß flüstern ‚Warum bleibst du nicht noch ein bisschen? Mach dir keine Sorgen über die Welt da draußen'. Im Kontext dieser Oper wird ein Walzer daher etwas Gefährliches, vielleicht sogar Tödliches."

Die Idee für ein Klavierkonzert entstand bei einer gemeinsamen Aufführung von Kiril Gerstein und Thomas Adès von In Seven Days - einem mystischen Musikstück für Klavier, Orchester und Bewegtbild. Nach dem Concerto Conciso und In Seven Days wünschte sich Kiril Gerstein ein "richtiges" Klavierkonzert ("a PROPER piano concerto") von Adès - und bekam es auch.

Klassisch dreisätzig, "schnell - langsam - schnell", angelegt, stellt Adès im ersten Satz sogar zwei Themen (er nennt sie Subjects) vor, ganz wie in einem klassischen Klavierkonzert. But make no mistake - es bleibt natürlich ein zeitgenössisches Stück mit modernen Harmonien, Jazzanklängen, aufgebrochenen Phrasen und einem turbulenten Finale. Wie bei Adès üblich, ist das Orchester nicht nur Begleitung, sondern treuer Dialogpartner mit brillanten (und technisch äußerst herausfordernden) Soli, vor allem in den Bläsern. Apropos Bläser: In Tower for Frank Gehry schmettern 14 Trompeten eine zweieinhalbminütige Fanfare in den Konzertsaal.

Kombiniert werden Adès' Werke an diesem Abend mit Leoš Janá?eks Sinfonietta und Benjamin Brittens Young Apollo, in dem Kiril Gerstein mit dem RSO Wien ein weiteres Mal am Flügel zu hören ist.

Text: Anna Jagenbrein

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Sendereihe

• Das Ö1 Konzert

Gestaltung

• Marie-Therese Rudolph

Übersicht

• 5.1 Dolby Digital
• RSO in Ö1