Fabio Luisi

BARBARA LUISI

Das Ö1 Konzert

Nielsen, Nielsen, Nielsen

Dänisches Radio-Sinfonieorchester; Dirigent: Fabio Luisi; The Danish National Junior Choir; The National Concert Choir; Liv Redpath, Sopran; Sebastian Kohlhepp, Tenor. Carl Nielsen: a) Rhapsodische Ouvertüre (Eine Phantasiereise zu den Färöern); b) Hymnus Amoris für Soli, Chor und Orchester op. 12; c) Symphonie Nr. 2 op. 16, "Die vier Temperamente" (aufgenommen am 21. April im Konzerthaus Kopenhagen)

Nielsen-Ohren waren im April nach Kopenhagen ausgerichtet. In sechs Konzerten im Wochenabstand gruppierten sich um Nielsens sechs Symphonien seine drei Instrumentalkonzerte (für Violine, Flöte und Klarinette), Chor- und populäre Orchesterwerke.


Handwerksarbeit, wenn man so mag

Nielsens Rhapsodische Ouvertüre (Eine Phantasiereise zu den Färöern) entstand 1927 nach den Konzerten für Flöte und Klarinette und seiner 6. Symphonie - Werke, deren Tonsprache und Aufbau ganz andere Ansprüche stellen. Nielsen kam einem Auftrag des Königlichen Theaters Kopenhagen für ein Galakonzert zu Ehren eines Besuchs von den Färöer-Inseln nach. Seiner Frau schrieb der 57-Jährige, er finde es "richtig, dass wir etwas für die Färöer tun." Im Interview mit der größten Tageszeitung meinte er, die Rhapsodie sei ja bloß "ein Gelegenheitswerk, eine Handwerksarbeit, wenn man so mag." Einige Färöer-Lieder habe er verwendet, aber die Einleitung und der Schluss, das sind "freie Kompositionen."


Amor statt Amen

"Hymnus amoris" entstand zwischen Nielsens ersten beiden Symphonien. 1891, in Padua, waren Nielsen und seine Frau Anne Marie, eine gefeierte Bildhauerin, auf ihrer Hochzeitsreise von einem Tizian-Gemälde beeindruckt gewesen: ein Mann, der seine Frau aus Eifersucht ermordet. Nielsen wollte die Macht der Liebe in den vier Lebensabschnitten eines Mannes als Grundlage einec Chorwerkes: Kindheit, Jugend, Mannes- und Greisenalter. Ein Freund schrieb ihm einen dänischen Text, Nielsen bat dann einen Latein-Professor um eine Übersetzung ins Lateinische. Das Monumentale dieser Sprache hebe "uns über gar zu lyrische und persönliche Empfindungen", die fehl Platze sein würden, komme es doch darauf an, eine so universelle Macht wie die Liebe durch einen großen polyphonen Chor zu repräsentieren. Nielsen hatte sich intensiv mit Renaissancemusik beschäftigt, besonders mit Palestrina. Überliefert sind über zweihundert Studien im strengen Kontrapunkt. Außerdem sei "die lateinische Sprache sangbarer als die dänische und die deutsche, vor allem … verträgt sie Textwiederholungen besser". Nielsen wollte seine Vision von einer Kirche vermitteln, die der Kunst und der Liebe verpflichtet ist. Das Schlusswort ist nicht "Amen", sondern "Amor".


Kein Programm, aber Titel?

Nielsens erste Symphonie kommt ohne Titel aus. Die Titel für die Symphonien 2 (De fire Temperamenter / Die Vier Temperamente), 3 (Espansiva) und 4 (Det Uudslukkelige / Das Unauslöschliche) seien ja "nur verschiedene Namen für ein- und dasselbe", so Nielsen wenige Monate vor seinem Tod 1931, und als Hilfestellungen fürs Publikum gedacht gewesen. "Das Einzige, was Musik letztlich ausdrücken kann: ruhende Kräfte im Gegensatz zu aktiven." Beide "Kräfte" haben Kehrseiten. Die Ruhe: Beharrendes, Träges, Erstickendes; das vorwärts Drängende sei kreativ und lebensbejahend, schlägt aber zuweilen in Destruktives um.
Der 1. Satz der 2. Symphonie (Allegro collerico) ist dem Aktiven, auch Rücksichtslosen, vorbehalten. In der Idylle des 2. Satzes (Allegro comodo e flemmatico) lauern Träges und Destruktives. Die Musik soll selbstgefällige Behaglichkeit vermitteln - schon ein harmlos-gemütlicher Tivoli-Walzer bedeutet Anstrengung. Die Modulationen danach hat der englische Symphoniker Robert Simpson einen "themenlosen Schlaf" genannt: "Die Musik lässt stellenweise an eine bewunderungswürdige Kuh denken, die köstlich schmeckendes, sonst wenig beachtetes Futter wiederkäut." An einem Kanon verlieren die Instrumente bald das Interesse. Auch in der Reprise erlaubt sich Nielsen einen Spaß - mit "einfallsloser, fauler Tonartenrückkehr" (Simpson) als Seitenhieb auf uninspirierte, faule Komponistenkollegen. Im 3. Satz, Andante malincolico, zeigt sich das Melancholische von seiner heroischen, aktiven Seite und frei von Sentimentalität. Die Musik schwingt sich zu einem ekstatischen Gipfel auf. Dort wartet die Frage: War´s die Anstrengung, den Aufwand wert?

Nielsen bewahrt sich auch im Schlusssatz (Allegro sanguineo) einen scharfen Blick. Dem heiteren, immer fröhlichen, positiv Denkenden sind Schwierigkeiten, Katastrophen gleichgültig. "Albern und selbstgefällig" soll der Marsch klingen, typisch dänisch, so Nielsen, dann aber:"Der Schlussmarsch ist zwar fröhlich und heiter, dennoch würdevoll und nicht ganz so albern und selbstgefällig wie in einigen der früheren Teile."

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Eine Phantasiereise zu den Färöer Inseln - Rhapsodische Ouvertüre
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 12:26 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Axel Olrik
Titel: Hymnus Amoris für Soli, Chor und Orchester op.12
Solist/Solistin: Liv Redpath / Sopran
Solist/Solistin: Sebastian Kohlhepp / Tenor
Chor: The Danish National Junior Choir
Chor: The Danish National Concert Choir
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 21:30 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Symphonie Nr.2 op.16
Populartitel: Die vier Temperamente
* Allegro collerico - 1.Satz
* Allegro comodo e flemmatico - 2.Satz
* Andante malincolico - 3.Satz
* Allegro sanguineo - 4.Satz
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 35:00 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Carl Nielsen/1865 - 1931
Titel: Symphonie Nr.6 "Sinfonia semplice"
* Tema con variazioni - 4.Satz (00:10:23; zu hören 00:00:50)
Orchester: Danish National Symphony Orchestra
Leitung: Fabio Luisi
Länge: 00:50 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Rued Langgaard/1893 - 1952
Bearbeiter/Bearbeiterin: Bo Andersen /Arrangement
Titel: Carl Nielsen, unser großer Komponist!, BVN 355 - für Chor und Orchester (00:08:48; zu hören: 00:01:30)
Chor: Dänischer Nationaler Rundfunkchor
Choreinstudierung: Frans Rasmussen
Orchester: Dänisches Nationales Radio Symphonieorchester
Leitung: Gennadij Roshdestwenskij
Länge: 01:30 min
Label: Chandos CHAN 9786

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