Blaise Pascal - Volltreffer der Existenz

15. Juni 2023, 06:56

Blaise Pascal, Jahrgang 1623, ist ein überraschend aktueller Denker, auch wenn es um das Gefühl der Unwirklichkeit des Lebens geht. Schon früh hat er sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung befasst. Auf unsere eigene Existenz umgelegt, wie sie uns womöglich beim Aufwachen bewusst wird, bedeutet das: Es ist extrem unwahrscheinlich, dass es Sie und mich gibt. Die meisten von uns werden in ihrem ganzen Leben keinen Volltreffer beim Lotto machen. Aber ein solcher ist um ein Vielfaches wahrscheinlicher als unsere eigene Existenz.

Das Stichwort lautet in diesem Zusammenhang: Kontingenz. Kontingenz ist nicht einfach nur ein anderes Wort für Zufall, sondern bedeutet: Es gibt keinen hinreichenden oder gar zwingenden Grund, dass es mich gibt. Oder etwas religiöser formuliert: Dass es mich gibt, ist so unwahrscheinlich, dass es an ein Wunder grenzt. "Ich bin", wie es bei Pascal heißt, "kein notwendiges Wesen. Ich bin auch weder ewig noch unendlich." Aber dabei bleibt Pascal nicht stehen, wenn er meint: "Und zugleich bin ich imstande zu erkennen, dass es "ein notwendiges und unendliches Wesen gibt."

Diese Notwendigkeit bleibt außerhalb der Geschichte. Pascal räsoniert über das Ende des protestantischen Heerführers Cromwell im englischen Religions- und Bürgerkrieg: Zu einem bestimmten Zeitpunkt war es mehr als wahrscheinlich, dass Cromwells militärisch überlegenes Heer siegen und das königliche Regime hinwegfegen würde. Aber dann trat, wiederum wider alle Erwartung, das Unwahrscheinliche ein: Cromwell starb an einem Sandkorn, "das sich in seine Harnleiter setzte". Es entschied Pascal zufolge eine weltgeschichtliche Begebenheit. Triumph der Kontingenz, Absage an die Vorstellung, wonach menschliche Existenz und Geschichte vorhersehbar und determiniert sind, wie es viel später wissenschaftliche Systeme des 19. Jahrhunderts nahelegten.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler