Ein Mann fotografiert ein Gemälde von Artemisia Gentileschi

PICTUREDESK.COM/AP/ANDREW MEDICHINI

Gedanken für den Tag

Elisabetta Sirani: Timokleia

von Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien

Als ich dieses Bild das erste Mal im Museo Capodimonte in Neapel gesehen habe, war ich hin und weg. Denn es zeigt in dynamischer, barocker Malweise ein ausgesprochen merkwürdiges Motiv: eine elegant gekleidete Frau mit schwarzen Haaren, die einen Mann energisch kopfüber in einen Brunnen stößt.

Das Thema bezieht sich auf eine Erzählung von Plutarch. Dieser schildert, wie die mutige Thebanerin Timokleia nach einer Vergewaltigung durch einen Hauptmann Alexanders des Großen tödliche Vergeltung übt. Gemalt hat dieses Bild Elisabetta Sirani im Jahr 1659. Mit ihrer heute berühmteren, sechs Jahre vor der Entstehung dieses Gemäldes verstorbenen Malerkollegin Artemisa Gentileschi verbindet Elisabetta Sirani das Ins-Bild-Setzen wehrhafter Frauen. Auch war sie zu Lebzeiten nicht minder erfolgreich, schließlich ist sie als eine der ersten Frauen in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen worden.

Siranis Biografie strotzt vor Selbstbewusstsein. Bereits jung hat sie große Aufträge für Kirchen ausgeführt, mit 24 die Werkstatt ihres erkrankten Vaters übernommen. Dass sie sich ihres Marktwertes bewusst war, dafür spricht auch ein von ihr geführtes Werkverzeichnis, in dem sie ihre Bilder aufgelistet und die Verkäufe vermerkt hat. Besonders beindruckend: Sirani hat in Bologna die erste Kunstakademie für Frauen gegründet. Das hat dazu geführt, dass Bologna in der Folge zu einem Zentrum weiblichen Kunstschaffens geworden ist. Als die Barockmalerin mit nur 27 Jahren in Bologna gestorben ist, war die Trauer groß.

Siranis künstlerisches wie pädagogisches Wirken spricht von einem ungemeinen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das macht mir genauso Mut wie die rebellische Kraft anderer Barockmalerinnen, die trotz größter Widerstände in einer männerdominierten Welt ihrer Bestimmung nachgegangen sind. Sie haben dadurch auch heute noch Vorbildfunktion. Denn trotz aller Errungenschaften sind wir noch lange nicht am Ende des Weges in Bezug auf die gleichberechtige Wertschätzung von Frauen angelangt, wie genügend Beispiele auch in der jüngsten Vergangenheit beweisen.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi 1678 - 1741
Album: Italienische Barockmusik
Titel: Sonate für Blockflöte und Basso continuo in g-moll op.13 Nr.6
* Vivace - 1.Satz (00:01:25)
Solist/Solistin: Marie Therese Yan
Solist/Solistin: Thomas Ragossnig
Länge: 01:25 min
Label: Bayer REcords BR 100125

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