Verhinderte Exporte, Hunger als Waffe: Politik mit Getreide

27. Juli 2023, 13:00

Sie war die "Rettungsleine für die globale Ernährungssicherheit", sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres und vorige Woche hat Russland diese Leine gekappt: es hat die "Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen", kurz: Getreideabkommen, trotz internationaler Kritik und zahlreicher Appelle auslaufen lassen. Doch nicht nur das.

Bei wiederkehrenden, massiven Angriffen russischer Drohnen und Raketen auf ukrainische Hafenstädte werden Hafenanlagen mit Getreide- und Speiseöl-Terminals zerstört. Seit Montag greift Russland erstmals auch ukrainische Donau-Häfen nahe der Grenze zu Rumänien an und droht, Getreidefrachter zu militärischen Zielen zu erklären.

Am Mittwoch kommt nun erstmals seit seiner Gründung der Nato-Ukraine-Rat zusammen, um wegen der russischen Blockade im Schwarzen Meer alternative Wege für ukrainische Agrarexporte zu finden. Am Donnerstag beginnt in St. Petersburg ein zweitätiger Russland-Afrika-Gipfel, auf dem die Hoffnungen zahlreicher afrikanischer Staaten ruhen, dass Russland das Getreideabkommen wieder aufnimmt.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist die Versorgungssicherheit weltweit stark angespannt und das bereits vor dem Krieg bestanden habende Hungerrisiko stark gestiegen, denn beide Länder zählen zu den großen Getreideproduzenten und -exporteuren. Nach UN-Schätzungen stammen 30 bis 40 Prozent des in Afrika verbrauchten Weizens aus der Ukraine und Russland.

Russland hat nun angekündigt, Afrika selbst mit Getreide beliefern zu wollen; die EU gibt bekannt, fast alle landwirtschaftlichen Produkte der Ukraine über Schiene und Straße transportieren zu können. Doch die osteuropäischen Staaten wollen bestehende EU-Importbeschränkungen für ukrainisches Getreide zum Schutz der eigenen Märkte notfalls einseitig verlängern.

Systemische Schwierigkeiten auf Agrarmärkten, der vor wenigen Tagen vom weltgrößten Reis-Exporteur Indien verhängte Exportstopp für weißen Reis, die Rolle der Welthandelsorganisation und enorme Informationsdefizite über die Bestände und die Verfügbarkeit von Getreide verkomplizieren die Situation zusätzlich.

Worum geht es angesichts der aktuellen Situation, was war das eigentliche Ziel des Getreideabkommens (die Lieferung in von Hunger betroffene Länder?) und wie kann es weitergehen - auch mittel- und langfristig für die Kornkammer der Welt? Warum müssen afrikanische Staaten so viel Getreide importieren, welche Faktoren beeinflussen das Versorgungsrisiko und wie sind Nahrungsversorgung und Politik miteinander verwoben?

Die Agrarökonomin Dr. Bettina Rudloff von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) analysiert als Gast von Barbara Zeithammer in Punkt eins die aktuellen Ereignisse, erläutert die Hintergründe, ordnet die Zahlen und strukturiert die komplexen Zusammenhänge.

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns: unter 0800 22 69 79 und punkteins(at)orf.at

Service

Link:
Stiftung Wissenschaft und Politik. Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit]

Bettina Rudloff (Koord.): Krieg und Hunger - Versorgungsrisiken, Lösungsansätze, Konfliktkonstellationen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 01.07.2022 (360 Grad)

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Barbara Zeithammer