Zwischenruf

Rosch haSchanah 5784

Claudia Prutscher, Vizepräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, zum jüdischen Neujahrsfest

Wieder geht ein jüdisches Jahr zu Ende und wir beginnen das Jahr 5784. Wenn Sie diesen Beitrag hören, sind wir schon mitten in den Feierlichkeiten. Am Freitag abends, zeitgleich mit dem Schabbat Eingang, beginnt auch Rosch haSchana - übersetzt "der Kopf des Jahres" - und somit der Eintritt in ein neues Jahr.

Wir versammeln uns in der Synagoge, um uns für die Hohen Feiertage vorzubereiten. G'tt öffnet an diesem Tag die himmlischen Bücher und wir haben nun die Gelegenheit in den kommenden zehn Tagen bis Jom Kippur (so heißt der Versöhnungstag) über unsere Sünden, unser Fehlverhalten nachzudenken und um Verzeihung zu bitten.

Nach dem Abendg'ttesdienst versammelt sich meine Familie bei mir und wir genießen unser Zusammensein bei einem gemütlichen Rosch haSchana-Abendessen. Dazu gibt es jedes Jahr die traditionellen Speisen wie Äpfel in Honig getunkt, sie stehen für ein süßes Jahr, Speisen mit Granatapfelkernen, diese symbolisieren den Wunsch nach der Fruchtbarkeit des neuen Jahres und die Challah, das traditionelle Weißbrot, das jeden Schabbat als geflochtener Zopf auf den Tisch kommt, zu Rosch haSchana aber in runder Form als Zeichen, dass der Kreislauf des Jahres sich schließt. Es sind Tage des familiären Beisammenseins, die Kraft spenden für kommende Herausforderungen.

Am nächsten Tag treffen wir uns am Ufer eines fließenden Gewässers, in unserem Fall ist es der Wienfluss, um symbolisch unsere Sünden des vergangenen Jahres hineinzuwerfen, wir tun das mit Brotstückchen, dann haben die Fische auch etwas davon.

Nach dem Gebet wird das Schofar, das ist das Horn eines Widders, geblasen. Es müssen ganz bestimmte Töne in vorgeschriebener Reihenfolge erklingen und das ist gar nicht leicht. Diese Töne sind sehr speziell und gehen durch Mark und Bein. Es steht geschrieben, dass jeder Jude bzw. jede Jüdin mindestens dreimal die Töne des Schofars zu den hohen Feiertagen hören soll.

Ich stelle mir immer vor, wie eindrucksvoll das in frühen Zeiten in Israel geklungen haben muss, wenn diese Töne durch das Land hallten und damit die Menschen an ihre Besinnung erinnert wurden. Es sind Tage, in welchen wir nachdenken über Vergangenes und über Zukünftiges. Was wir nicht mehr ändern können (z. B. unsere Verfehlungen, die wir nicht mehr rückgängig machen können), lassen wir los. In der Zuversicht, dass sich alles zum Guten wenden kann. Was wir gestalten können, das nehmen wir in Angriff. Im Wissen, dass das Gelingen unserer Projekte wesentlich, aber nicht allein von uns abhängt. Dass es auch den Segen von oben dafür braucht, dass sich die Dinge gut entwickeln. Und "gut" hat im Judentum sehr oft eine doppelte Bedeutung: gut für das Individuum UND gut für die Gemeinschaft.

In der Hoffnung auf Frieden und Zufriedenheit beginnen wir dann das neue Jahr 5784. In diesem Sinne wünsche ich Schana Tova U'Metuka - ein gutes und süßes Jahr!

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Rainer Fabich
Gesamttitel: EMOTIONS
Titel: Klezmer feelings/instr.
Solist/Solistin: Rainer Fabich /Saxophon m.Begl.
Länge: 04:04 min
Label: FAJORA MUSIC 4260094821158

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