Stacheldraht

APA/HELMUT FOHRINGER

Punkt eins

EU-Asylpolitik: Hauptsache Abschottung?

Die EU-Mitglieder ringen einmal mehr um eine gemeinsame Linie bei der Migration. Gast: Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Hochschule RheinMain, Fachbereich Sozialwesen. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Schon über 2.000 Tote im Mittelmeer in diesem Jahr; dramatische Szenen aus den völlig überfüllten Aufnahmelagern auf der italienischen Insel Lampedusa; Streit zwischen den Schengen-Staaten über Grenzkontrollen. Flucht und Migration nach Europa beherrschen die Schlagzeilen, vielfach ist bereits wieder von einer Krise die Rede.

Bei den Verhandlungen im Rat der EU-Innenminister:innen am Donnerstag stand nun die Aussicht auf einen "Kompromiss" im Raum. Es geht um einen "Krisenmechanismus" als vorläufig letzten Baustein eines Asyl- und Migrationspaktes: Was passiert bei großem Druck auf die Staaten an der Außengrenze? Man könnte auch fragen: Wie weit geht die europäische Solidarität?

Die Zahl der Asylanträge in Europa steigt wieder an - über 500.000 waren es im ersten Halbjahr in den EU-27 plus Norwegen und der Schweiz, berichtet die EU-Asylagentur EUAA. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 wurden, vor allem infolge des syrischen Bürgerkrieges, rund 1,3 Millionen Asylanträge in Europa gestellt. Somit dürfte die Millionenmarke auch heuer wieder überschritten werden. Die Vertriebenen aus der Ukraine sind dabei nicht eingerechnet: Sie erhalten temporären Schutz ohne Asylverfahren, und die EU-Kommission geht davon aus, dass diese Regelung um ein weiteres Jahr verlängert werden wird. Weltweit sind nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR derzeit rund 110 Millionen Menschen auf der Flucht, Tendenz steigend.

Doch die EU ringt weiter um ein gemeinsames Vorgehen. Intern gehen die Wogen hoch: Polen und Tschechien reagieren verstimmt auf Deutschlands Pläne, die Binnengrenzen zu seinen Nachbarstaaten stärker zu kontrollieren. Italien kritisierte Österreich scharf für Kontrollen am Brenner und fühlt sich mit dem Zustrom an der Außengrenze alleingelassen. Schon vor dem Sommer hatte Ungarn mit der Freilassung hunderter verurteilter Schlepper den Zorn Österreichs - und ein Vertragsverletzungsverfahren - auf sich gezogen. Dabei galt Viktor Orban eigentlich als Partner im Kreis der Hardliner, als deren Sprachrohr sich die österreichische Regierung gern positioniert. Ungarns Außenminister zeigte mit dem Finger auf die EU: "Brüssel betreibt eine Politik, die die Einwanderung begünstigt."

Indessen scheinen die Tendenzen zu immer weiteren Verschärfungen der Asylpolitik gerade auch in den europäischen Institutionen die Oberhand zu gewinnen. Nach Berichten über brutale Pushbacks an der griechischen Außengrenze warfen viele Beobachter:innen der EU-Kommission ein "Wegschauen" vor.

Auf der außenpolitischen Seite hagelt es scharfe Kritik an dem Abkommen der EU mit Tunesien, das auch einen Pakt zur Eindämmung der irregulären Migration umfasst. Das autokratisch agierende Regime des nordafrikanischen Landes verantwortet schwere Menschenrechtsverletzungen, auch gegen Schutzbedürftige.

Die EU "verweigert sich seit Jahren einer ernsthaften Debatte, wie eine humane Flüchtlingsaufnahme und wie rechtsstaatliche Verfahren auf europäischem Boden garantiert werden können", schreibt der deutsche Rechts- und Politikwissenschafter Maximilian Pichl in einer aktuellen Publikation. Dabei gehe es eigentlich nur darum, als Union Verantwortung zu zeigen und die eigenen Rechtsnormen ernst zu nehmen.

Wie soll sich Europa verhalten? Können wir zu einer gemeinsamen, rationalen und dennoch menschenwürdigen Politik finden? Was müsste sie umfassen, was ist von den einzelnen Mitgliedsstaaten gefordert?

Maximilian Pichl ist zu Gast bei Xaver Forthuber und Sie können mitreden: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Xaver Forthuber

Playlist

Komponist/Komponistin: Ben Harper
Titel: Waiting On an Angel (davon 8 Sek. unterlegt)
Ausführende: Ben Harper
Länge: 03:53 min
Label: Virgin rec.

Komponist/Komponistin: Gabriel Fauré
Titel: Après un rêve (transcription Pablo Casals)
Ausführende: Peter Bruns Vlc., Roglit Ishay, Klavier
Länge: 02:52 min
Label: Opus 111

Komponist/Komponistin: Gabriel Fauré
Titel: Sonate n°1 op 109 Allegro commodo 2
(davon 1 min. 55 sek. unterlegt)
Ausführende: Peter Bruns Vlc., Roglit Ishay, Klavier
Länge: 04:21 min
Label: Opus 111

weiteren Inhalt einblenden