In vollen Zügen

27. November 2023, 06:57

Von meinen bisherigen 42 Jahren habe ich nur acht Wochen außerhalb von Europa verbracht. Für Fernreisen hat mir erst das Geld gefehlt und dann der Mut, vielleicht besteht da ein Zusammenhang.

Den Atlantik habe ich ein einziges Mal überflogen, in Todesangst und gebügelter Kleidung. Weil, beim Fliegen zieht man sich schön an, manchmal stürzt man dabei ab, ich bin aber schon unten und da wird wenig geflogen. So habe ich das gelernt, mit dieser Bodenhaftung habe ich mich abgefunden. Und ein Radius von 1500 Kilometern lässt sich mit der Eisenbahn relativ gut bereisen. Man kann unterwegs Karten spielen, in die Gegend schauen, jausnen oder aufs Klo gehen.

All meine Bedürfnisse, die natürlichen wie die kulturellen werden befriedigt, und zwar in voller Fahrt. Dieses Angebot ist unschlagbar. Selbstverständlich haben die acht Wochen jenseits der Weltmeere meinen Blick auf die Realität aber verändert wie sonst nur ein ebenfalls einziges Experiment mit psychoaktiven Pilzen. Aber in beiden Fällen habe ich die Bewusstseinserweiterung erst während der Bahnfahrt nach Hause überhaupt bemerkt.

So eine Landschaft, wenn du dich beim Durchfahren auf sie konzentrieren kannst, erzählt etwas über die Mentalität. In Amerika siehst du aus dem Zugfenster viel Weite und Natur, die sich ausbreitet und erstreckt. Aber Mitteleuropa ist landschaftlich ein gigantischer Kleingartenverein. Dass der nicht so vom Himmel gefallen ist, das kapierst du durch Vergleich. Wie sich das auswirkt, kannst du vielleicht aus 10.000 Metern Höhe besser beurteilen oder aus allernächster Nähe. Aber, dass es so ist, das siehst du beim Zugfahren am besten.

Service

Hosea Ratschiller

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler