Edvard Munchs "Der Schrei"

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Gedanken für den Tag

"Der Schrei"

Martina Pippal, Kunsthistorikerin und Künstlerin, zum 80. Todestag von Edvard Munch

"Der Schrei" des norwegischen Malers Edvard Munch ist eine "Ikone" der Moderne! "Ikonisch" heißt bei diesem 1893 geschaffenen Gemälde wiedererkennbar, aber auch wieder und wieder reproduziert.

Was sehen wir? Auf einem Weg durch eine Küstenlandschaft kommt uns ein Mensch entgegen. Kleiner als wir. Er stoppt, die Hände an die Ohren gepresst, den Mund aufgerissen, schwankt. Sein Antlitz: ein Totenkopf. Sein Gewand: eine totenhemdartige Tunika.

Munch verarbeitete hier eine Panikattacke: 1891, während eines Sommerurlaubs in seiner Heimat, hatte er bei einem Spaziergang mit Freunden in der Nähe Kristianias (des heutigen Oslo) plötzlich einen Schrei gehört. (Seine Freunde vernahmen nichts). Die Luft habe, so schrieb Munch in sein Tagebuch, seine Augen und seine Ohren in "Schwingungen" versetzt. Die "flammenden Wolken" waren für ihn "Blut und Schwert"! Munch erlebte die Natur als Bedrohung. Erlebte sich als Opfer.

Munch war Symbolist: Vertreter jener Strömung, die ab den 1870er Jahren - von Frankreich und Belgien ausgehendend - die kulturelle Elite Europas erfasste. Der symbolistische Künstler verstand sich als hyper-empfindlicher Seismograf, der mittels seiner schöpferischen Kraft das Erlittene im Kunstwerk sublimiert.

Heute, 130 Jahre später, ist das Motiv noch immer populär. Gedruckt auf T-Shirts, gestrickt in Socken, zum Muster degradiert auf Bettzeug, als "Shocking Smiley" ausgeschnitten aus Halloween-Kürbissen. Vielleicht ein Missverständnis. Man könnte ja glauben, die Hauptfigur des Bildes schreie ihr Leiden aus sich heraus.

Wie auch immer: Für Munch war nicht nur der Mensch (er, der Künstler) Opfer, sondern auch die Natur. Der Schrei, schrieb Munch, ging "durch die Natur". Diese Empathie für die gequälte Natur besitzt heute höchste Aktualität.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Jean Sibelius 1865 - 1957
Album: NOSTALGIEN
Titel: Nocturne
Solist/Solistin: Ingolf Turban
Solist/Solistin: Jean - Jaques Dünki
Länge: 03:00 min
Label: Claves CD 50-8917

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