"Die Pubertät"

24. Jänner 2024, 06:57

Mit einem seiner berühmtesten Gemälde erlaubt uns Edvard Munch einen Blick in ein abendlich dunkles Zimmer: auf eine bräunliche Wand. Auf ein Bett. Weißes Leintuch. Weißer Polster links. Keine Decke.

Auf dem Bett sitzt ein junges Mädchen: nackt. Sein langes rotbraunes Haar ist offen. Sein Blick aus den großen dunklen Augen absichtslos. Der Körper ist schlank, fast ausgemergelt. Die Brüste sind winzig. Zwischen seinen zusammengepressten Knien schiebt das Mädchen seine Rechte abwärts. Unterhalb des unteren Bildrandes, auf dem Fußboden, muss eine Lampe stehen. Denn der Mädchenkörper wirft einen großen Schatten an die Wand, der sich ausbreitet wie Rauch.

Der ursprüngliche Titel des 1894/95 gemalten Bildes war - neutral - "Das junge Modell". Berühmt wurde Munchs Gemälde (heute im Nationalmuseum in Oslo) aber unter dem Titel "Die Pubertät".

Wie wurde aus dem jugendlichen Aktmodell die "Ikone" der Pubertät? Weil Ende des 19. Jahrhunderts Kunstschaffende und Wissenschaftler gerade anfingen, die menschliche Entwicklungsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein wahrzunehmen. Sie begannen auf die Veränderung des Körpers, auf das Erwachen der Sexualität, auf die Turbulenzen der Gefühle zu fokussieren.

1891 vollendete Franz Wedekind sein Stück "Frühlingserwachen". 1907 erschien Oskar Kokoschkas Bändchen "Die träumenden Knaben". Das neue Interesse an der Adoleszenz veränderte den Blick auf Munchs Gemälde . und führte zur Nachschärfung des Bildtitels. Umgekehrt gilt Munchs Bild heute als "Ikone" im Diskurs über die lange übersehene Entwicklungsphase junger Menschen.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler