Edvard Munchs "Der Schrei"

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Gedanken für den Tag

"Lebensfries"

Martina Pippal, Kunsthistorikerin und Künstlerin, zum 80. Todestag von Edvard Munch

Wer die Lebensmitte mit hoher Wahrscheinlichkeit überschritten hat (wie viele von uns werden schon 100?), fragt sich wohl irgendwann, wie sich all das Erlebte, Geschaffene, Verpasste zu einem Gesamtbild fügt.

Im günstigsten Fall genügt es in so einem "schwachen Moment", alte Fotoalben aufzuschlagen oder Files mit Privataufnahmen zu öffnen, um sich zu beruhigen: Es sei doch im Großen und Ganzen alles recht gut gelaufen. Es ergäbe doch ein zufriedenstellendes Gesamtbild.

Vielleicht fallen wir hier auf uns selbst herein, weil es seit den 1920er Jahren üblich ist, in die Kamera zu lächeln, ganz egal, wie man/frau sich im Moment wirklich fühlt. Angesichts des Objektivs gerieren wir uns verlässlich als Musterexemplare der Spezies der "Erfolgreich-Glücklichen".

1893, in einer ganz anderen kulturellen Atmosphäre, hatte der norwegische Maler Edvard Munch begonnen, eine Auswahl von Gemälden und Graphiken, die er bis dahin geschaffen hatte, zusammenzustellen. Munch war damals dreißig. 1918, dann 45-jährig, nannte er die Auswahl "Lebensfries".

Munchs Lebensfries besteht aus Einzelwerken, die in Größe, Material und Thematik variieren. Das ist also kein Fries im klassischen Sinn. Wichtiger aber ist, dass sich die Werke zu keiner Heldensaga, zu keinem "Heldenleben" zusammenschließen. Im Gegenteil! Seinen Lebensfries verstand Munch als "Dichtung über Leben, Liebe und Tod". Betonung auf "Tod". Es waren die erschütternden Momente seines Lebens, die Munch in diesen Werken angesprochen hatte.

Nun ja, de facto läuft ja auch unser Leben - hinter unserer lächelnden Maske - nicht immer am Schnürchen. Unverarbeitete Verletzungen poppen gerne auf. Resilienz und Unter-den-Teppich-Kehren sollte man nicht verwechseln.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Jean Sibelius 1865 - 1957
Album: SIBELIUS: KONZERTSTÜCKE FÜR VIOLINE UND ORCHESTER
Titel: Cantique op.77 Nr.1 für Violine und Orchester
Solist/Solistin: Ralph Holmes
Orchester: Radio Symphonieorchester Berlin
Leitung: Vernon Handley
Ausführender/Ausführende: Vernon HANDLEY 11.11.1930 Enfield, London - 10.9.2008 Monmouthshire
Länge: 05:24 min
Label: schwann 311003

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