"Sommer am Strand"

27. Jänner 2024, 06:57

Edvard Munch verdanken wir einige der großartigsten Landschaftsbilder der Moderne. Die Landschaft (primär jene seiner Heimat Norwegen) klang in einem bestimmten Moment mit Munchs innerer Befindlichkeit so genau zusammen, dass sie seine innere Stimmung offenlegte, bloßlegte.

Die Landschaft war für Munch immer Seelenlandschaft. Immer Lebenslandschaft. Daher musste die Landschaft für ihn, den Symbolisten, zum Bildthema werden. Z.B. in der "Sommernacht am Strand" von 1902/03.

Wir, die Betrachtenden des Bildes, nehmen den Platz des Malers ein: stehen etwas erhöht auf einem Hang, der sich zu einem Fjord senkt. Es ist die blaue Stunde, die im Norden so unendlich lang dauert. Wir stehen auf einer Wiese. Darauf: kugelartige Büsche. Weiter unten: der Strand. Darauf: helle Geröllsteine. Dann das Meer. Der Horizont ist extrem hoch. Das Wasser ist wie Öl: erst schwarz, dann blau, dann violett. Blau und violett oszilliert auch der schmale Himmelsstreifen über der niedrigen Hügelkette uns gegenüber, auf der anderen Seite des Fjords.

Der Mond (oder ist es die Sonne?) steht tief. Die ölig-schweren Wellen brechen die säulenförmige Lichtspiegelung. Reflexe gerinnen zu irisierenden Inseln. Aber auch der rosa-türkise Strand und der grüne Abhang erscheinen verflüssigt, Steine und Büsche umspült. Wurzeln weich wie Tintenfischarme. Nirgends fester Boden unter den Füßen. Nirgends Halt für das Betrachter:innen-Auge.

Das ist keine "Fotographie der Natur". Die Natur ist hier, wie Munch selbst sagte, von der "Gemütsstimmung" geformt.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler