AP/FRANCOIS MORI
Ö1 Kunstsonntag: Tonspuren
Die Schriftstellerin Virginie Despentes
Der Name Virginie Despentes steht in Frankreich für weibliche Radikalität: Ihren ersten Roman "Baise-moi - Fick mich" von 1994 verfilmte sie unter dem gleichnamigen Titel zusammen mit der Pornodarstellerin Coralin Trinh Thi gleich selbst. Zwei junge Frauen - beide Opfer brutaler sexueller Gewalt - ziehen mordlüstern und zugedröhnt durchs Land. Ein trashiger road trip, der Publikum und Kritik verstört zurückließ und in Frankreich denn auch eine Zeitlang auf dem Index stand und eine große Debatte über Zensur auslöste.
4. Februar 2024, 20:15
Das war im Jahr 2000, Virginie Despentes war 31. "Sex sells", zumal in Szene gesetzt von einer Frau. Plötzlich kümmerten sich Medien und Literaturbetrieb um diese radikale Feministin, die in ihren späteren Büchern und Essays ebenso rauh und wortreich wie in "Baise-moi" in Welten aus Drogen, Sex und Rock 'n' Roll eintaucht. Welten, die sie aus eigener Erfahrung kennt. Despentes macht kein Geheimnis daraus, dass sie selbst in jungen Jahren vergewaltigt wurde und im Rotlichtmilieu gejobbt hat.
Mit 17 Jahren war sie noch als Virginie Daget aus Nancy nach Lyon gekommen, um zu studieren und zu sich selbst zu kommen. Frühere Weggefährten erinnern sich noch gerne an sie, die dort in einem Plattenladen arbeitete, schrieb und mit einer Punkband auf Tour ging und in besetzten Häusern unterkam: in Hamburg, in Genf, in Wien oder Budapest.
Berühmt wurde sie mit der Roman-Trilogie "Das Leben des Vernon Subutex", dessen erster Band 2015 erschien, als Paris von einer Reihe islamistischer Attentate erschüttert wurde. Vernon ist der charismatische Besitzer eines angesagten Pariser Plattenladens - bis er Laden und Wohnung verliert und als Obdachloser in einem großen Park im Pariser Norden strandet, dem Parc des Buttes Chaumont. Eben dort, wo sich auch die Attentäter, die später die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" auslöschten, gerne trafen.
In Belleville, gleich angrenzend, wohnt auch Virginie Despentes - wenn sie nicht gerade in Lyon oder Barcelona ist. Ihr jüngster Roman "Cher connard" ("Liebes Arschloch") ist 2023 auf Deutsch erschienen.
"Wut ist mein Territorium"
Die französische Schriftstellerin Virginie Despentes
Feature von Alexander Musik
Service
"Baise-moi - Fick mich", übersetzt von Kerstin Krolak und Jochen Schwarzer, Rowohlt
"Die Unberührte", übersetzt von Kerstin Krolak und Jochen Schwarzer, Rowohlt
"Das Leben des Vernon Subutex", Band 1 - 3, übersetzt von Claudia Steinitz, Kiepenheuer & Witsch
Sendereihe
Gestaltung
- Alexander Musik