Über Skandalkulturen. Das Beispiel Heldenplatz

3. April 2024, 06:57

Ein Anlass, in dieser Woche über Kunst und Skandale nachzudenken, ist Frank Castorfs Neuinszenierung von Thomas Bernhards Heldenplatz. Sie hatte am 17.2. Premiere am Burgtheater.

An der Geschichte dieses Stückes und seiner Aufführungen lässt sich viel über Skandale lernen. Denn Skandale lassen auch ungeschriebene Gesetze und unter der Oberfläche verborgene Einstellungsmuster einer Gesellschaft sichtbar werden.

So lässt sich der Skandal um die Uraufführung des Stücks in Peymanns Inszenierung 1988 gut erklären. Der brachte ja ikonische Bilder für die Geschichtsbücher mit sich: den Kuhmist, der vor dem Burgtheater abgeladen wurde; den späteren Vizekanzler Heinz-Christian Strache, aus der Loge buhrufend. Schließlich waren es die Jahre um die Waldheim-Wahl. Die Skandalisierung zeigte, dass das Bild eines hochgradig antisemitischen, keinesfalls entnazifizierten Österreichs, das Bernhards Text zeichnet, nicht ins Selbstbild der damaligen Gesellschaft passte.

22 Jahre später beschrieb der damalige Leiter des Thomas-Bernhard-Archivs, Martin Huber, einen ausgebliebenen Skandal: "Stell dir vor, es ist Heldenplatz und das wohlsituierte Publikum inklusive Bundespräsident klatscht wohlwollend Beifall. Das ist natürlich nicht Wien am 4. November 1988, sondern Wien, genauer Theater in der Josefstadt, am 9. September 2010."

Und heute, weitere 14 Jahre später, ist das Stück nun auf die Burgtheater-Bühne zurückgekehrt. Ohne großen Skandal, aber wohl mit der in manchen Kritiken durchscheinenden Ahnung, dass der Stoff eher wieder an Aktualität gewonnen hat. Die Geschichte der Heldenplatz-Aufführungen lehrt uns: Skandale können auch Gradmesser dafür sein, wie es gerade um unsere Gesellschaft steht.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler