Arztpraxis, Stethoskop

APA/DPA/SEBASTIAN GOLLNOW

Punkt eins

Ärztewahl ohne Freiheit

Wahlarztpraxen: Ausweg oder Sackgasse? Gäste: Maria M. Hofmarcher-Holzhacker, Ökonomin, Gründerin von HS&I (Health System Intelligence) und stellvertretende Vorständin der aha (Austrian Health Academy) & Susanne Rabady, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM), Leiterin des Kompetenzzentrums Allgemein- und Familienmedizin, Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften. Moderation: Johann Kneihs. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Spitalsärzt:innen eine Nebentätigkeit in privater Praxis zu verbieten - dieser Vorschlag des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) stößt weithin auf Ablehnung. Letzten Freitag forderte eine Resolution der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer Anreize statt Verbote; auch Peter Lehner, der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, lehnt "Knebelverträge" ab.

Nicht nur in Krankenhäusern, auch in Kassenordinationen scheint die Problemlage groß: 90 Tage wartet man durchschnittlich auf einen Arzttermin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In der Radiologie sind es 57 und in der Augenheilkunde 44 Tage, in der Lungenheilkunde 36 und bei einem/einer Internisten/in 33 Tage, zeigt eine aktuelle Studie (April/Mai) im Auftrag der Wiener Ärztekammer - viele Male länger als im Jahr 2012. In vielen Ordinationen herrscht Aufnahmestopp, etwa in der Kinderheilkunde, Gynäkologie oder Allgemeinmedizin.

Parallel dazu ist in den letzten Jahren der Anteil von Wahlarztpraxen deutlich gestiegen. In der Chirurgie sind bereits 87% aller Ordinationen Wahlarztpraxen, in der Psychiatrie sind es 86%, in der Orthopädie 76%, in der Urologie 62%, so Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vor Kurzem in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ.

Die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin Susanne Rabady führte als praktische Ärztin dreißig Jahre lang eine Kassenordination im Waldviertel. Als Kassenärztin sei man mehr Auflagen unterworfen, der administrative Aufwand sei höher, die Beschränkungen größer; man bekomme leicht das Gefühl, es werde einem schwer gemacht, gut zu arbeiten. Das motiviere viele, sich dem öffentlichen System zu entziehen - die um ein Vielfaches höhere Vergütung der Leistungen in einer wahlärztlichen Praxis komme noch dazu und schaffe auch in den Augen von Patient:innen einen vermeintlich höheren Stellenwert der privaten Leistung.

Die Ökonomin und Expertin für Gesundheitssysteme Maria M. Hofmarcher-Holzhacker erklärt, das Bezahlungsschema der Kassenmedizin sehe kleine Preise bei vielen Patient:innen vor - also die überfüllte Ordination. Doch Innovationen im Honorarsystem seien selten zukunftsorientiert; die dringend notwendige Zuwendungsmedizin in Verbindung mit besserer Koordination sei schlecht oder gar unbezahlt - und die kassenärztliche Versorgung sei immer mehr ausgetrocknet worden ("Gesundheitswesen: so gehört es generalsaniert", "Die Presse" 2023).

Entsteht durch unzumutbare Wartezeiten bei Kassenärzt:innen das Gegenteil von Wahlfreiheit - nämlich der Zwang, auf wahlärztliche oder privatmedizinische Angebote auszuweichen? Wie kommt es zur Verschiebung in Richtung Wahlarztpraxen - und warum tragen sie nicht (mehr) zur Entlastung des öffentlichen Gesundheitssystems bei? Welche Auswirkungen hat der Trend zu Wahlärzt:innen auf die Gesundheitskassen und die Finanzierung des Gesundheitssystems?

Darüber spricht Johann Kneihs mit seinen Gästen Susanne Rabady und Maria M. Hofmarcher-Holzhacker und mit Ihnen: Die Redaktion freut sich über Ihre Beiträge zum Gespräch, während der Sendung unter der Telefonnummer 0800 22 69 79 (kostenfrei aus ganz Österreich) oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Urheber/Urheberin: Alexander Borodin
Titel: Quartet No. 2 in D Major_ I. Allegro moderato
Ausführender/Ausführende: Borodin String Quartet
Länge: 07:52 min
Label: Melodiya / His Master's Voice - ASD 4100

Urheber/Urheberin: Alexander Borodin
Titel: Quartet No. 2 in D Major_ II. Scherzo - Allegro
Ausführender/Ausführende: Borodin String Quartet
Länge: 04:48 min
Label: Melodiya / His Master's Voice - ASD 4100

Urheber/Urheberin: Alexander Borodin
Titel: Quartet No. 2 in D Major_ I. Allegro moderato
Ausführender/Ausführende: Borodin String Quartet
Länge: 06:46 min
Label: Melodiya / His Master's Voice - ASD 4100

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