Erich Kästner und der Sarkasmus

26. Juli 2024, 06:57

Hören wir heute in die ersten Strophen von Erich Kästners Gedicht "Der Mensch ist gut":

Der Mensch ist gut! Da gibt es nichts zu lachen!
In Lesebüchern schmeckt das wie Kompott.
Der Mensch ist gut. Da kann man gar nichts machen.
Er hat das, wie man hört, vom lieben Gott.

Einschränkungshalber spricht man zwar von Kriegen.
Wohl weil der letzte Krieg erst neulich war…
Doch: ließ man denn die Krüppel draußen liegen?
Die Witwen kriegten sogar Honorar!

Der Mensch ist gut! Wenn er noch besser wäre,
wär er zu gut für die bescheidne Welt.
Auch die Moral hat ihr Gesetz der Schwere:
Der schlechte Kerl kommt hoch - der Gute fällt.

Das ist so, wie es ist, geschickt gemacht.
Gott will es so. Not lehrt bekanntlich beten.
Er hat sich das nicht übel ausgedacht
und läßt uns um des Himmels Willen treten.
(...)

Das ist das Porträt einer verlogenen Gesellschaft, die sagt, dass die Menschen gut sind und bestätigt, dass sogar ihr Gott es nicht anders wollen kann, als dass er in seiner projizierten Güte so schlecht ist wie der Mensch. Den Lesenden wird zur Wahl gestellt, sich zu empören oder einzustimmen in den bitter-fatalistischen Refrain. Dabei ist der Ton dieses Gedichts eigentlich beschwingt. Umso bitterer schmeckt sein voll ironischem Sarkasmus vorgebrachter Inhalt.

Während die Glaubensfrage in den Kinderbüchern mit dem Glauben an die Kinder eine zumindest idealistisch positive Antwort erfährt, wird die Möglichkeit, an etwas zu glauben, in den Gedichten und nicht zuletzt in Kästners erfolgreichem Erwachsenenroman "Fabian" von 1931, mehr als gründlich in Frage gestellt. Beim Rettungsversuch eines ins Wasser gefallenen Jungen kommt der längst arbeitslos gewordene Fabian am Romanende selbst zu Tode. Er konnte nicht schwimmen. Doch der Junge überlebt.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler