Joseph Conrad in Bishopsbourne

9. August 2024, 06:57

Seine letzten Lebensjahre verbringt Joseph Conrad mit seiner Familie in Bishopsbourne, in der Grafschaft Kent. Er leidet an Rheuma und ist zeitweise auf den Rollstuhl angewiesen. Noch einige Male schafft er es, nach London zu reisen, wo er sich mit Freunden trifft. Auf einer dieser Reisen sagt er zu dem Bildhauer Jacob Epstein: "Ich bin am Ende".

Im Mai 1924 will ihm Premierminister Ramsay MacDonald von der Labour Party einen Ritterorden verleihen. Doch der Schriftsteller lehnt ab. Conrad, in eine polnische Kleinadelsfamilie hineingeboren, scheint von Ritterlichkeit nicht mehr viel zu halten. Am 2. August desselben Jahres klagt er nach einer morgendlichen Ausfahrt über starke Brustschmerzen. In dieser Nacht schläft er schlecht. Am nächsten Morgen steht er auf und setzt sich wie gewohnt an seinen Schreibtisch. Kurz darauf fällt Conrad vom Stuhl und ist tot.

"Ich hatte nicht zu schreiben begonnen, weil es mir ein Bedürfnis gewesen wäre, mich auszudrücken", erklärte Conrad in seinen Memoiren mit dem Titel "Bericht über mich selbst". "Was mich zum Schreiben drängte, war ein unklares, nicht greifbares und vollkommen unerklärliches Phänomen. Natürlich ist es möglich, daß ein Magier (.) von seiner Behausung aus einen Zauber auf mich geworfen hatte, als ich einen meiner einsamen Spaziergänge unternahm, kreuz und quer durch London, ohne Karte oder Kompaß." Die Seefahrt ließ Conrad in der Mitte seines Lebens hinter sich. Der Bann seiner Sprache lebt weiter.

Service

Joseph Conrad, "Die Schattenlinie", Hanser Verlag 2022
"Jugend. Herz der Finsternis. Das Ende vom Lied", Fischer Verlag 2018
"Bericht über mich selbst", Kiepenheuer Verlag 1979
Manuela Tomic, "Zehnfingermärchen", Wieser Verlag

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Gestaltung

• Alexandra Mantler