Detail des Gnadenbilds Unserer Lieben Frau von Eriskirch

PICTUREDESK.COM/MARTINA RALL

Gedanken für den Tag

Der abgesägte Kopf

Mirja Kutzer, Germanistin und Theologin, zu Mariä Himmelfahrt

Im Juni diesen Jahres wird im Linzer Dom eine Marienskulptur ausgestellt. Genauer gesagt: in einem innerhalb des Domes abgeteilten Raum, der anlässlich des 100-jährigen Domjubiläums eingerichtet wird. Geschaffen wurde so eine Möglichkeit, auch kontroverse Kunstwerke auszustellen, die der Rolle von Frauen im Christentum nachgehen. Die Figur crowning von Esther Strauß ist ungewohnt, ja provokant. Es ist eine gebärende Maria. Die Beine sind angewinkelt, das Gewand zurückgeschlagen. Maria stützt die Hände hinter sich auf den Boden und richtet ihren Blick nach oben. Es ist ein Blick gen Himmel, zu Gott, wie in klassischen Mariendarstellungen. Doch das Gesicht zeigt auch den Schmerz und die Anstrengung der Geburt, womöglich Angst und Zweifel.

Die Skulptur durchbricht so die Sehgewohnheiten der christlichen Ikonographie. KIassisch ist die Darstellung in der Krippe des Linzer Doms: Die Geburt ist vorüber. Maria ist wohl frisiert und ordentlich gekleidet. Entspannt lächelnd wendet sie sich kniend und betend einem auch schon recht großen Säugling zu. Stattdessen nun also: Maria in der Geburt, in dieser nur Frauen zugänglichen Situation höchster Verletzlichkeit und Stärke, von Gefahr, Schmerz, Produktivität und Glück.

Und dann wird am Vormittag des 1. Juli das Kunstwerk zerstört. Jemand sägt der gebärenden Maria den Kopf ab. Es ist ein brachialer Akt, vollzogen an einem Kunstwerk, darin aber eben auch an der Repräsentation Marias, einer konkreten Frau, in einer verletzlichen Situation. Ohne die Hintergründe der Tat zu kennen, frage ich mich unwillkürlich: Was provoziert so sehr an der gebärenden Maria? Und warum nimmt man ihr ausgerechnet den Kopf? Weil Maria in dieser körperlichen Szene eine konkrete Frau ist, und das nicht sein darf? Weil man ihr sonst lieber das Gesicht und damit eben auf diese Weise ihre Individualität nimmt? Es ist an der Zeit, Maria ihren Körper zurückzugeben.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Elliot Goldenthal geb.1954
Vorlage: Hayden Herrera
Gesamttitel: FRIDA / Original Filmmusik
Titel: Self portrait with hair down/instr.
Untertitel: MUSIC FROM THE MOTION PICTURE SOUNDTRACK
Leitung: Stephen Mercurio
Orchester: Filmorchester
Ausführender/Ausführende: Francisco "Pancho" Navarro
Länge: 01:08 min
Label: DG/Universal Classics 4741502

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