Bruckner bewältigen

6. September 2024, 06:57

Im Jahre 1996, in jenem also, in dem Bruckners 100. Todestag begangen wurde, habe ich noch Buch geführt. Ich dirigierte damals viel zu viel und erreichte neben allen anderen Werken 37 Aufführungen von Symphonien Bruckners. Das habe ich als etwas Besonderes - und als fast sportliche Leistung empfunden.

Heute schüttle ich mein weißes, dünnes Haar und stelle fest, dass es 2024 etwa 11 sind. Und ich darin ein Maximum sehe. Nicht, weil die fortschreitende Jugend mich beim Brucknern zu viel Kraft kostet - oder die notwendigen Reisen zu mühselig geworden wären: Heute nähere ich mich jeder seiner Partituren mit der Gewissheit, sie bewältigen zu können. Aber in dem Wie, da liegt der ganze Unterschied!

Stunden verbringe ich, mit Bleistift bewaffnet, um Neues in seiner Musik zu finden. Es kann auch passieren, dass mir eine von ihnen gehörig auf die Nerven geht: 8 Takte, dann 16, dann immerhin 12 Takte, aber bald wieder 8, immer einem peniblen Schema unterworfen. Dann lege ich sie zur Seite, fühle mich frei, so frei, so "befreit" von ihm. Und es dauert nicht mehr als wenige Tage, und ich fühle mich beinahe schuldig vor ihm und seinem Werk.

Eine seltsame Beziehung ist es geworden. Aber ich tröste mich und stelle fest, dass es eigentlich nur seltsame Beziehungen gibt. Und dass es besser ist, sich dieser Tatsache zu stellen, als sie zu leugnen.

Service

Podcast abonnieren

Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler

Übersicht

• Anton Bruckner 200