Radiokolleg

Selbsterfüllende Prophezeiung. Die Macht der Erwartung (2)

"Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein"

... warnte Friedrich Nietzsche. Dabei trieb sich der im 19. Jahrhundert werkende Philosoph selbst regelmäßig in den menschlichen Tiefen herum. Dort gab und gibt es auch vieles zu ergründen. Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten treten oft die hässlichsten Fratzen zutage. Aber muss das so sein?
"Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch", heißt es bereits in der Komödie "Asinaria" des antiken römischen Dichters Titus Maccius Plautus. Während dieser Ausspruch allseits bekannt ist und später auch vom Philosophen Thomas Hobbes übernommen wurde, ist vielleicht weniger geläufig, dass der Satz noch weitergeht: "solange er nicht weiß, welcher Art der andere ist." Ist der Mensch also tatsächlich des Menschen Wolf, oder verhält er sich nur so, weil ihm von Kindesbeinen an eingetrichtert wird, alle anderen seien Wölfe, vor denen er sich in Acht nehmen und sich dementsprechend im Rudel auch als Wolf behaupten müsse?
Die Erwartungshaltung hat großen Einfluss auf unser zwischenmenschliches Verhalten und damit auch auf die Bildung von Gesellschaft. In einer angespannten Situation besteht die Gefahr, dass Dinge überinterpretiert werden und es zu ad hoc Handlungen kommt. Auch Kriege können heraufbeschworen werden. Dasselbe gilt für Krisen und deren Ausmaß.
Der Wirtschafts- und Finanzmarkt ist ein gutes Beispiel. Der 1996 verstorbene Journalist und Spekulant André Kostolany attestierte: die Börse fuße zu 90 Prozent auf Psychologie. Andere sprechen von 50 oder 70 Prozent. Fakt ist: Sie ist auch dort zu finden, die selbsterfüllende Prophezeiung. Die Werteinstufung eines Gutes basiert keineswegs nur auf rationalen Entscheidungen.
Herausforderungen auf dem Radar zu behalten ist wichtig - gerade in Zeiten hoher Inflation und großer Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt. Alles stets schlecht zu reden, kann aber auch wieder wirtschaftlichen Schaden mit sich bringen, gibt etwa der Präsident des Fiskalrates und damit oberster Finanzwächter Österreichs, Christoph Badelt, zu bedenken.

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  • Daphne Hruby