Ölkreide

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Gedanken für den Tag

Lernen: Das Beste nicht das Letzte

Martin Schenk, Psychologe und Sozialexperte der Diakonie Österreich, zum Schulanfang

"Im Bretteldorf war es ein Glück, wenn du was zum Essen gehabt hast", erzählt Hannelore. An der Donau in Kaisermühlen erstreckte sich vor 100 Jahren eine Siedlung verarmter Kleinhäusler, Tagelöhner und prekärer Arbeiter. "Die Häuser waren notdürftig zusammengenagelt und da haben natürlich die ärmsten Leute gewohnt", erinnert sich Ferdinand.

Hannelore und Ferdinand sind als Kinder im Goethehof aufgewachsen. Zwischen der Schüttaustrasse und dem Kaiserwasser entstand 1930 einer der größten Gemeindebauten Wiens. Viele fanden Arbeit beim Bau, viele zogen aus dem notdürftigen Bretteldorf erstmals in eine "richtige" Wohnung. Im Innenhof befand sich ein heute beinahe vergessenes Schmuckstück: ein Kindergarten. Und zwar ein ganz besonderer. Er war von dem Gedanken geleitet, benachteiligten Kindern nicht "das Letzte", sondern "das Beste" an Pädagogik und auch Innenarchitektur zuzugestehen.

Das Architekturbüro Singer & Dicker, beides Bauhausschüler, sorgte sich um die Gestaltung des Innenraums. Ein anderer Blick auf das Kind lag damals in der Luft. Jean Piaget in der Schweiz beobachtete aufmerksam die kognitiven Entwicklungsschritte der Kinder, die psychoanalytische Pädagogik August Aichhorns praktizierte in Wien einen verstehenden Umgang mit dem Kind, Anna Freud hielt alle zwei Wochen ein Seminar, in dem die Pädagoginnen der Kinderhäuser sich über ihre Arbeit austauschen konnten. Die Erfindung der Supervision.

Als im Goethehof in den 1930er Jahren der Kindergarten seine Pforten öffnete, kamen Kinder aus Familien, die vorher in Bretterverschlägen leben mussten, kamen Kinder, deren Eltern kaum Geld zum Überleben hatten, kamen Kinder, denen keine gute Zukunft zugetraut wurde. Für sie gab es nicht das Letzte, sondern das Beste, was Pädagogik und Architektur zur Verfügung hatten.

Service

Martin Schenk, "Brot und Rosen", Konturen Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Django Reinhardt 1910-1953
Komponist/Komponistin: Stephane Grappelli 1908-1997
Gesamttitel: BERLIN SWING 3
Titel: Minor swing/instr.
Ausführende: Le Quintette du Hot Club de France
Ausführender/Ausführende: Django Reinhardt
Ausführender/Ausführende: Stephane Grappelli
Ausführender/Ausführende: Joseph Reinhardt
Ausführender/Ausführende: Eugene Vees
Ausführender/Ausführende: Louis Vola
Länge: 01:10 min
Label: ZYX Music 0090204524471

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