PICTUREDESK.COM/Willfried Gredler-Oxenbauer
Betrifft: Geschichte
Verfassungen
Das Grundmuster für Gesellschaft und Staat
Mit: dem stellvertretenden Vorstand des Instituts für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien Gerald Kohl, sowie mit Lena Foljanty und Thomas Olechowski ebenfalls vom Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien
Gestaltung: Andreas Wolf
23. September 2024, 15:55
Verfassungen geben vor, wie die politische Herrschaft eines Staates eingerichtet und ausgeübt wird. Je nach Staat und dessen Werten gibt es verschiedene Ausformungen von Verfassungen. Ein Vorläufer heutiger Verfassungen war die mittelalterliche Verfassung des Heiligen Römischen Reiches. Dabei handelte es sich allerdings noch um keine systematisch niedergeschriebene Verfassung im heutigen Sinne, sondern um eine unkoordinierte Ansammlung von Einzelentscheidungen. Sie regelten unter anderem das Lehenswesen, die Grundherrschaft, den Aufbau des Reiches und der Territorialstaaten. Nach und nach versuchte diese Verfassung auch Landfriedensordnungen zu etablieren, sowie das Fehde- und Faustrecht einzudämmen. Ein staatliches Gewaltmonopol konnte damals aber noch nicht durchgesetzt werden, weshalb Rechtswillkür und Selbstjustiz dominierten.
Erst die allgemeine Akzeptanz und Durchsetzbarkeit von geltendem Recht führte zur Herausbildung des modernen Staates. Die älteste schriftliche Verfassung, die auch heute noch gilt, wurde in der Republik San Marino im Jahr 1600 verfasst. Frühe demokratische, europäische Verfassungen waren auch jene von Polen-Litauen 1791 und die Französische von 1793.
Die US-Amerikanische Verfassung von 1787 gilt bis heute als Vorbild für zahlreiche demokratische Verfassungen in verschiedenen Ländern. In der Habsburgermonarchie wurden während des turbulenten 19. Jahrhunderts gleich mehrere Verfassungen erlassen. Die heutige Verfassung der Republik Österreich beruht auf dem Bundesverfassungsgesetz von 1929. Dieses basiert teilweise auf Verfassungsartikeln aus früheren Zeiten und auch heute werden laufend Normen durch 2/3 Mehrheit in den Verfassungsrang erhoben.
Dennoch hat in Österreich die Verfassung keine so große staats-, politik- und gesellschaftsprägende Auswirkung wie etwa die Verfassung der USA oder das 1949 beschlossene Deutsche-Grundgesetz. Von Politikern und Bürgern werden diese Verfassungen mit großer Mehrheit als "Ihre Verfassungen" wahrgenommen und damit auch als absolute normative Richtschnur anerkannt. In Österreich gibt es hingegen keine "Verfassungsurkunde" sondern zahlreiche oft sperrig zu lesende Artikel.