Zwischenruf

Meister Kong und das Wissen

von Harald Kluge, evangelischer Pfarrer an der reformierten Stadtkirche in Wien

Heute finden nicht nur Nationalratswahlen bei uns in Österreich statt. Weltweit feiern Millionen von Menschen am 29. September den "Konfuzius-Tag". Menschen in und aus Taiwan, Hongkong, Südkorea und der Volksrepublik China begehen an diesem Feiertag in Ehren des "Großen Lehrers Konfuzius" zugleich den "Tag der Lehrerinnen und Lehrer".

Kongzi, Meister Kong wie er heute genannt wird, wurde vor 2.500 Jahren und 8.000 Kilometer von Wien entfernt, im Staat Lu an der Ostküste der heutigen Volksrepublik China, geboren. Die Grundlage seiner Gedanken zur Sittlichkeit, zur Gerechtigkeit und zur Erlangung einer funktionierenden Gesellschaft ist es, ein Leben lang Lernende zu bleiben. Mit Freude und Lust und Disziplin sei an die Fragen dieser Welt, der Gesellschaft, von Politik und Erziehung heranzugehen. Dabei geht es ihm nicht um ein Herunterbeten alter tradierter Lehrinhalte, sondern darum alles immer neu zu hinterfragen. Forschungen müssten auch staatlicherseits und gesellschaftlich mehr gefördert werden. "Forschen ist mehr als Wissen. Heiteres Erkennen ist mehr als Forschen." so seine Worte.

Mystik, bzw. Religion lehnt Kongzi nicht ab, aber er hält sich in diesen Bereichen sehr bedeckt. Auf dem Feld der Bildung und Pädagogik vertritt er zumindest in einer Hinsicht eine mir sympathische Ansicht von Allgemeinbildung. Er sagt:
"In der Erziehung wird der Geist geweckt durch Beschäftigung mit der Poesie, das Leben gestaltet durch die guten Formen und die Charakterbildung vollendet durch die Musik."

Gewissenhaftigkeit und Wahrhaftigkeit müssen für ihn die Kernpunkte des Lebens sein: "Tu stets nur, was recht ist. Dadurch veredelst du deinen Charakter." Und dazu lautet seine Regel für Beamt:innen: "Wer einen Staat verwalten will, der muss sich selbst in den Schranken guter Sitte halten."
Jahrtausende nach seinem Tod können wir uns heute je nach Lust und Laune an den überlieferten Gesprächen und Aussagen, die erst 100 Jahre nach seinem Tod verschriftlich wurden, bedienen. Die Gräben der Sprache, des Kulturraums und der Zeit ignorieren wir meist und picken uns die heiteren Sätze heraus. Die harsch klingenden Forderungen lassen wir dabei gern außer Acht, wie bei so vielen tradierten Lehren.

Der Kongzi-Tag als "Tag der Lehrenden" steht dafür, dass Pädagog:innen, angefangen vom Kindergarten bis hinauf zu den Hochschulen und Universitäten, Ehrerbietung, Anerkennung und Hochachtung verdient haben. So gesehen wäre ein "Tag der Lehrer:innen" auch in Österreich ein sehr sinnvoller Gedenktag, um die Frage nach guten Rahmenbedingungen für Bildung ins Zentrum zu rücken. Nach einer zeitgemäßen Ausstattung für Schulen etwa oder nach fairer Entlohnung für alle Unterrichtenden. Denn sie sind es, die unverzichtbare Kompetenzen vermitteln. Kongzi formuliert es so: "Lernen, ohne zu denken, ist verlorene Mühe. Denken, ohne gelernt zu haben ist gefährlich. Wissen, was man weiß, und wissen, was man nicht weiß, das ist wahres Wissen."

Ich sehe es so: Dieses Wissen ermöglicht es uns, weitergehend wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen - und damit auch eine mit tragfähigen Argumenten begründete Wahl.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Fuquan Zhang
Gesamttitel: Authentic China
* Passing Youth (Lament At The Imperial Palace)
Länge: 02:31 min
Label: Sonoton SAS 034

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