Mit bloßer Haut im Herbst

2. Oktober 2024, 17:30

Erschienen ist es bereits Ende August, gefunden hat es mich erst in der Kühle dieser Tage: "Maple to Paper" - das aktuelle Album der US-amerikanischen Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin Becca Stevens.

Das Cover zeigt die 40-jährige Jazz- und Folksängerin nackt auf weißem Hintergrund. Die Blöße nur von ihrer Akustikgitarre bedeckt. Das Bild vermittelt eigentlich schon alles, worum es inhaltlich geht. Um unverstellte, mutige Aufrichtigkeit in Musik und Text, die Raum für Brüche zulässt. Nur mit ihrer Gitarre als Begleiterin teilt Becca Stevens ihre sehr privaten Erfahrungen als Künstlerin, Mutter, Tochter und Frau mit der Öffentlichkeit.

Die Echtheit, mit der sie das tut, nimmt einen vom ersten Atemzug an, der das Album plakativ hörbar eröffnet, gefangen. Der Prozess des Schreibens und des Aufnehmens fand bei Becca Stevens zuhause statt. Allein. Nur die Akustikgitarre und sie. Ein gutes Jahr hat es gedauert, bis Stevens Seelenschmerz in Musik verwandelt und den nötigen Abstand errungen hatte, um ihre Lieder einem Publikum preis zu geben. Immer wieder im Zweifel, ob es nicht doch zu intim sei, was sie hier von sich und ihrem Privatleben erzählt. In "Keep Those Wild Eyes Open" etwa besingt die Künstlerin das Sterben ihrer an Krebs erkrankten Mutter, während sie selbst gerade Mutter einer kleinen Tochter geworden ist.

Becca Stevens' Lieder angeln nach Spiegelneuronen im Gefühlsportfolio der Zuhörenden. Ein rares Talent, das die zweifach Grammy-nominierte New Yorker Musikerin auszeichnet. Sie macht ihre Geschichten zu den unsrigen. Kein Gefühl wird zugedeckt. Es wäre ohnehin kein Mantel groß genug, um Becca Stevens' Ausdruckskraft würdevoll zu bekleiden.

Sendereihe

• Spielräume

Gestaltung

• Verena Göltl

Übersicht

• Jazz